Rassismus: Der Migrant: Ein Problem

Bei einer Podiumsdiskussion der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung zu Integrationspolitik ist viel von Volksgruppen die Rede und wenig von Lösungen.

Für die CDU seit jeher besonders problematisch: "die Türken". Hier zum Beispiel jene, die im 17. Jahrhundert vor Wien standen. Bild: Archiv

Migranten, das weiß Heiko Strohmann, Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion für Medien und Sport, sind nicht alle gleich. "Man muss differenzieren", sagt er, "und nach bestimmten Kriterien bestimmte Gruppen ansprechen". Weil: "Wenn Sie einen Polen, einen Russen und einen Türken zusammen in einen Raum setzen, da kommt nichts Gutes bei raus!" Für besonders problematisch hält er "die Türken" - dazu zählt er auch Kurden, egal wo sie herkommen - anders als "die Russen". "Mit denen hatten wir Anfang der 90er massive Probleme", erinnert sich der 41-Jährige, "die gibt es nicht mehr!" Bei den "Türken" sei dies anders, da beobachtet Strohmann "eine dritte und vierte Generation, die sich aus der Gesellschaft herausentwickelt".

Der CDU-Politiker spricht diese Sätze am Montagabend vor gut 100 Leuten in einem Saal des Theater Bremen. Eingeladen hat ihn die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Das Thema: "Migranten fördern und fordern - Integration als gesamtgesellschaftliche Aufgabe". Auf welchem Niveau die Podiumsdiskussion verlaufen wird, zeigte die Einleitung des Moderators. "Wir reden hier über Probleme", sagt Ralf Altenhof von der Stiftung und fährt fort, "denken Sie daran, dass die Hälfte der Schulanfänger einen Migrationshintergrund haben".

In Deutschland? In Bremen? Oder an einigen Schulen? Altenhof erklärt die Zahl nicht weiter, aber das stört hier niemand. Das Publikum - Altersdurchschnitt 65 plus - ist hier, das wird aus Zwischenrufen deutlich, um sich ein Weltbild bestätigen zu lassen. In dem ist "der Migrant" männlich und kriminell. Und vor allem schlägt er alle Angebote, ihm zum gesellschaftlichen Aufstieg zu verhelfen, aus. "Die wollen ja nicht", tönt es mehrmals.

Applaus gibt es für Strohmann, als er behauptet: "Hier wird niemand Bildung vorenthalten!" Das sagt er als Reaktion auf das, was der Vorsitzende der Schura, einem Dachverband islamischer Vereine, gerade über seine Ausgrenzungserfahrungen berichtet hat. Als Achtjähriger kam Mehmet Kilinc 1970 aus der Türkei. Bei seiner Vorstellung durch den Moderator war noch ein erstauntes Raunen durch den Saal gegangen: Ein Maschinenbauingenieur, der fünf Sprachen spricht. Nicht so gut kommt an, dass Kilinc das für sein eigenes Verdienst hält - und nicht das eines fördernden und fordernden Staates. "Ich habe von Förderung nichts gespürt, ich musste mir alles selbst erarbeiten." Auch heute sieht er Bildungsgerechtigkeit noch nicht für gegeben und fordert darüber eine Auseinandersetzung. Aber Forderungen, das macht Strohmann klar, dürfen nur diejenigen stellen, die sich wie er zur "Mehrheits"- oder "Aufnahmegesellschaft" zählen.

Unbeantwortet bleibt Kilincs Frage, ob er, der nur die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, eigentlich zur Mehrheits- oder Minderheitsgesellschaft gehört. Er antwortet sich schließlich selbst: "Ich bin kein Migrant, ich bin ein Bürger dieser Stadt." Doch bevor der wie gewohnt witzige und eloquente Mann den Leuten zu symphatisch werden kann, liefert er ihnen eine Gelegenheit sich zu distanzieren. Er befürworte Steinigen und Handabhacken nicht, sagt er auf eine Frage des Moderators, er halte aber die Anwendung von Strafen nach dem islamischen Recht für die innere Angelegenheit eines islamischen Staates. Außerdem seien "die Menschenrechte nicht überall gleich definiert". Die Zuhörer, unter denen zu Beginn Pro Asyl-Broschüren zur europäischen Flüchtlingspolitik verteilt wurden, weisen ihn zurecht: "Natürlich sind sie das!"

Doch eine Diskussion über diese Position findet nicht statt und wird wohl verschoben in das, was der ehemalige Senatssprecher Stefan Luft in einem Impulsreferat "die Integrationsindustrie" getauft hat. Hämisch macht sich Luft, der mit Thesen zum "Abschied von Multi-Kulti" bekannt geworden ist, über teure Managerschulungen zu "Diversity" lustig. Diese rührt er in einen Topf mit ehrenamtlich organisierten "Gesprächskreisen und Workshops". In diesen, ist sich Luft sicher, "reagiert man gereizt, wenn ein Schulleiter über Probleme reden will". Welche, sagt er nicht und auch nicht, wie diese zu lösen wären, wie hinterher die Radio-Bremen-Redakteurin Libuse Cerna kritisiert. Sie weiß, wovon sie redet. In ihrer Freizeit engagiert sie sich wie Kilinc für eins der von Strohmann und Luft geschmähten Gremien: Den Rat für Integration, dessen Vorsitzende sie ist. "Wir müssen über Probleme reden", sagt sie. "Und zwar sachlich."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.