Rassismus in der evangelischen Kirche: Der Pastor und das Z-Wort
Ein Hamburger Pastor soll sich rassistisch über Sinti*zze und Rom*nja geäußert haben. Er wurde suspendiert, ist jedoch jetzt wieder im Dienst.
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Damit ist die Nordkirche verpflichtet, ihn wieder in seiner Gemeinde einzusetzen. Seit dem 6. Januar arbeitet der Mann wieder als Gemeindeleiter in der Maria-Magdalena-Kirche im Hamburger Stadtteil Osdorf.
Dagegen demonstrierten am vergangenen Sonntag etwa 150 Menschen vor dem Kirchengebäude. Aufgerufen hatte der Sinti-Verein Hamburg. Christian Rosenberg, Vorsitzender des Sinti-Vereins, hielt eine Rede vor der Kirchentür: „Hätte man nicht eine andere Lösung finden können, als uns den wieder vor die Nase zu setzen, wo er diese Sachen über uns gesagt hat?“, rief er.
Der Pastor soll sich über Jahre wiederholt rassistisch geäußert haben, teils direkt gegenüber Mitgliedern des Sinti-Vereins und der freikirchlichen Gemeinde „Licht und Leben“, die die Kirche für ihre Gottesdienste nutzt und in der vor allem Sinti*zze und Rom*nja Mitglieder sind. Das erzählte Rosenberg der taz schon 2023. So soll der Pastor die Kultur der Sinti*zze in E-Mails als „Steinzeitkultur“ bezeichnet und von der „Inszenierung eines mittelalterlichen Dorfes“ gesprochen haben. Außerdem soll er sich über angeblich nicht sauber hinterlassene Gemeinderäume beschwert und in einer Gemeinderatssitzung das rassistische Z-Wort benutzt haben. Auch soll er sich rassistisch gegenüber Schwarzen Menschen geäußert haben.
Kirche ist auch nicht glücklich
Nach Hinweisen auf die Aussagen des Pastors, auch von Mitgliedern seiner eigenen Gemeinde, hatte die zuständige Nordkirche im Mai 2023 Strafanzeige gegen den Mann erstattet und ihn vom Dienst enthoben. Über die Anzeige gibt es noch keine gerichtliche Entscheidung. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hamburg sind aber abgeschlossen und eine Entscheidung stehe kurz bevor, sagte ein Sprecher der Behörde.
Rosenberg, der Vorsitzende des Sinti-Vereins, klingt am Telefon ziemlich frustriert. Die Entscheidung des Kirchengerichts, den Pastor wieder in Dienst zu setzen, müsse man akzeptieren, sagt er. Nur sei es bitter, dass Mitglieder des Sinti-Vereins nun wieder direkt mit ihm zusammenarbeiten müssen. Rosenberg ist vor allem enttäuscht von der EKD, die vor der Wiedereinsetzung des Pastors nicht das Gespräch mit dem Sinti-Verein gesucht hat. „Selbst wenn es nicht anders gegangen wäre, hätte man doch mit uns kommunizieren müssen“, sagt er.
Ein Sprecher der EKD verweist auf taz-Anfrage an die Nordkirche, die für die Maria-Magdalena-Kirche zuständig ist. Die klingt auch nicht gerade glücklich damit, dass der Pastor wieder im Amt ist. „Die Nordkirche hätte sich ein anderes Urteil gewünscht, respektiert jedoch die Entscheidung des Kirchengerichtes“, schreibt ein Sprecher auf taz-Anfrage.
Auch der Propst Thomas Drope, der so etwas wie der Chef des Beschuldigten ist, positionierte sich indirekt, indem er eine Rede auf der Demo des Sinti-Vereins am Sonntag hielt. Drope sagte zwar nichts zum Pastor, sprach sich aber „gegen jegliche Form von Rassismus“ aus.
Keine Entschuldigung
Es gibt aber auch Mitglieder der Gemeinde, die sich für ihren Pastor aussprechen. Eine Gruppe von ungefähr 50 Personen hielt am Sonntag eine Art Gegendemo zur Veranstaltung des Sinti-Vereins. Mit dabei hatten sie ein Transparent mit der Aufschrift „Unser Pastor ist kein Rassist“. Dem Hamburger Abendblatt sagte eine Teilnehmerin der Gegendemo, ihr Pastor könne kein Rassist sein, da er in den vergangenen Jahren bei der Lebensmittelausgabe in Osdorf geholfen habe, zu der viele Menschen unterschiedlicher Herkunft kämen.
Für Christian Rosenberg ist das kein Argument. „Ich glaube, dass dieser Mann einen ganz tief sitzenden Rassismus in sich trägt, dass das nicht ein Ausrutscher war, sondern seine Gesinnung und seine Haltung“, sagt er. So habe er in den vergangenen Jahren mehrfach das Gespräch mit dem Pastor gesucht und versucht, ihm die historische Dimension von antiziganistischen Diffamierungen zu erklären.
Dazu gehöre die persönliche Betroffenheit von Mitgliedern seiner Gemeinde von der Verfolgung von Sinti*zze und Rom*nja im Nationalsozialismus. „Meine Vorfahren sind alle selbst betroffen“, sagt Rosenberg. Der Pastor habe sich für seine Äußerungen nicht entschuldigt. Von seinem Anwalt habe Rosenberg vor Kurzem eine Verleumdungsklage bekommen. In Rosenbergs Augen ist der Pastor „beratungsresistent“.
Der Pastor selbst spricht schnell am Telefon. Zu den Vorwürfen gegen ihn möchte er sich gegenüber der taz eigentlich nicht äußern. Herr Rosenberg wiederhole seit Jahren die immer gleichen Geschichten, sagt er dann aber doch.
„Nachhilfe in Sachen Rechtsstaat“
Ob diese Geschichten seiner Meinung nach gelogen seien, beantwortet er nicht. Er spricht von Vorverurteilungen und betont, dass über die Strafanzeige gegen ihn noch nicht gerichtlich entschieden wurde. Das habe „die Gegenseite“ noch nicht verstanden, sagt er. „Möglicherweise brauchen die da ein bisschen Nachhilfe in Sachen Rechtsstaat.“
Die Historikerin Verena Meier forscht zu Antiziganismus in der evangelischen Kirche. Die habe sich erst spät mit Antiziganismus in den eigenen Reihen auseinandergesetzt. Erst seit Kurzem fördere die Kirche Forschung zu ihrer Geschichte und arbeite mit Selbstorganisationen von Rom*nja und Sinti*zze zusammen.
Ein Einzelfall wie der in Hamburg könne da zu einem Gradmesser einer fragilen Zusammenarbeit werden, die gerade erst begonnen hat. „Es reicht nicht“, sagt Meier, „historisch aufzuarbeiten, was damals passiert ist und dann Scheuklappen davor zu haben, was heute in den eigenen Gemeinden passiert.“
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