Rassismus in Berlin: Aus Worten werden Taten
Der Bericht der Berliner Register zeigt einen neuen Höchstwert queerfeindlicher und antisemitischer Vofälle. Ihnen voraus gehen Hass-Debatten im Netz.
Die Zahlen zeigten einen deutlichen Zusammenhang von Hass im digitalen und Vorfällen im öffentlichen Raum, sagt Becker. „Dynamiken im Internet, wie Desinformation, Hetze und Propaganda beeinflussen immer mehr das Geschehen auf der Straße“, sagt sie. Das zeige sich etwa bei den – insgesamt 778 – rassistischen Vorfällen: „Im Jahresverlauf sehen wir Ausschläge in Monaten, in denen online rassistische Debatten geführt wurden“, sagt Becker. Die Reduzierung komplexer Probleme auf rassistische Erklärungsmuster, wie bei der Silvester-, der Freibad- oder der Asylrechtdebatte erhöhten die gewalttätigen Vorfälle.
Bei LGBTIQ-feindlichen Vorfällen hat es eine Verdopplung von 239 auf 464 gegeben. Die gemeldeten Fälle seien jedoch „nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Anne Schaar, vom Anti-LGBTIQ-Gewaltprojekt L-Support. Ursachen für die Zunahme an Angriffen und Propaganda gegen queere Menschen sieht Becker unter anderem in Online-Kampagnen, wie dem „Stolzmonat“, einer Gegenkampagne zum Pride Month.
Anstieg antisemitischer Taten
Schließlich ist auch die Anzahl antisemitischer Vorfälle „sprunghaft angestiegen“: von 810 auf 1.113. „Antisemitismus ist im Berliner Stadtbild deutlich sichtbarer geworden“, sagt Ruth Hatlapa von der Recherche und Informationsstelle Antisemitismus. Besonders präsent seien antiisraelische Schmierereien, Plakate und Aufkleber. Auch hier sei ein „starker Einfluss“ von Online-Dynamiken zu dem Geschehen auf der Straße zu erkennen: „Nur wenige Stunden nachdem Videos des Angriffs der Hamas am 7. Oktober im Internet kursierten, gab es einen massiven Anstieg von Angriffen, Beleidigungen, Sachbeschädigungen und Veranstaltungen“, sagt Hatlapa.
Ziel der Hass- und Desinformationskampagnen sei es aufzuhetzen, zu verunsichern, Hass zu schüren und zu polarisieren, so Becker. Und sie wirken: „Das Sicherheitsgefühl der Jüd*innen ist in Berlin erschüttert“, sagt Hatlapa. Viele sprächen in der Straße kein Hebräisch mehr, versteckten Ketten mit Davidsternanhängern oder entfernten die Mesusa von ihren Türen.
„Die Funktionsweise politischer Kultur hat sich verändert“, fasst Becker zusammen. Die demokratisch legitimierte Politik könne kaum noch zeitnah reagieren, weil öffentliche Meinungen durch extrem schnelle Online-Dynamiken beeinflusst würden. „Die Gesellschaft muss sich mit Manipulation, Desinformation und der Funktionsweise von sozialen Netzwerken auseinandersetzen“, fordert Becker. Der Sprecher für Strategien gegen Rechts der Grünen, Ario Mirzaiem, kritisert: „Es mangelt dem Land Berlin an einer Gesamtstrategie gegen Rechtsextremismus und jede Form des Antisemitismus.“ Der Anstieg von Hasskriminalität müsse ein Weckruf für den schwarz-roten Senat sein.
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