Rassismus im Dorf Rosarno: Alle Afrikaner vertrieben
Anschlag, Krawalle, Treibjagd: Italienische Behörden und Bürger vertreiben mehr als 1000 afrikanische Arbeitsimmigranten aus dem Dorf Rosarno. Jetzt herrscht Feierlaune.
ROM taz | Mit der kompletten Vertreibung der Afrikaner aus der Stadt endeten am Samstag die Zusammenstöße zwischen Immigranten und der einheimischen Bevölkerung im süditalienischen Rosarno. Mehr als 1000 Afrikaner wurden mit Bussen der Polizei in Aufnahmelager in Crotone und Bari verbracht, weitere Hunderte machten sich individuell auf den Weg nach Neapel, nach Rom oder Richtung Norditalien.
Erst ein Anschlag auf zwei Afrikaner, dann am Donnerstagabend Krawalle der Immigranten, schließlich am Freitag eine wahre Treibjagd, veranstaltet von italienischen Bürgern gegen die Einwanderer. Begonnen hatte alles damit, dass einige Jugendliche mit Luftpistolen einen Marokkaner und einen Togolesen verletzten. Daraufhin rotteten sich einige hundert Schwarzafrikaner zusammen. Sie errichteten Straßensperren, bewarfen Autos mit Steinen, zertrümmerten zahlreiche Schaufenster. Immer wieder seien sie in den letzten Monaten Opfer von rassistischen Pöbeleien, von Prügelattacken, von Salven aus Luftgewehren geworden. Ihre Erbitterung wurde durch ihre Lebensbedingungen nicht gerade verringert. Die Tagelöhner erhalten 20 Euro pro Tag für die Arbeit in den Mandarinen- und Orangenplantagen; sie "wohnen" in aufgelassenen Fabrikhallen, Abbruchhäusern oder alten Scheunen.
Am Freitag konstituierte sich ein Bürgerkomitee, besetzte das Rathaus und forderte unumwunden, "alle Schwarzen" müssten aus Rosarno verschwinden. Die Jugend der Stadt machte sich sofort an die Umsetzung der Forderung. Mit Knüppeln und Schusswaffen bewaffnet zogen sie auf die Jagd. Einige Bürger von Rosarno versuchten, Schwarzafrikaner, die ihnen über den Weg liefen, mit dem Auto anzufahren, andere machten sich mit Benzinkanistern auf, um Unterkünfte der Immigranten abzufackeln. So setzten sie ein abbruchreifes Gehöft in Brand, in dem zehn Afrikaner nächtigten. Am Ende der Hetzjagd wurden etwa 30 Verletzte gezählt, fünf kamen ins Krankenhaus.
Der Pogrom erzielte durchschlagende Wirkung. Am Freitagabend beschloss das Innenministerium, sämtliche Afrikaner aus Rosarno wegzubringen. Diejenigen, die keine Aufenthaltserlaubnis haben, erhielten die Zusicherung, die Polizei werde vorerst auf eine Kontrolle des Aufenthaltsstatus verzichten. An den von Bürgern in Rosarnos errichteten Straßensperren machte sich am Samstag Feierlaune breit.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott