Rassismus der Nachkriegszeit: „Ein rassisches Problem“
Bestenfalls unbeholfen debattierte Bremen Anfang der 1950er-Jahre, wie mit schwarzen Babys zu verfahren sei. Ihre Mütter wurden als Ami-Huren diffamiert
Nach der Befreiung durch britische Soldaten vor 70 Jahren, gehörte das Nachkriegs-Bremen zur Amerikanischen Besatzungszone. Schon bald flirteten junge GIs mit deutschen Fräuleins und hinterließen ihre Spuren in der Stadt: Kinder kamen zu Welt, sogenannte Besatzungskinder. Die Sichtbarsten unter diesen Neugeborenen waren die Kinder aus Beziehungen schwarzer US-Soldaten mit deutschen Frauen – die „Brown Babies“.
So zumindest wurden sie vor allem in den USA bezeichnet. In Deutschland hingegen wurden sie als „Mischlingskinder“ betitelt und oft als deutliches Zeichen der deutschen Niederlage gegenüber den Alliierten wahrgenommen.
Bremen ist dabei kein Einzelfall. Laut Statistischem Bundesamt wurden bis 1956 etwa 5.000 „Brown Babies“ in Westdeutschland geboren – davon 100 in Bremen. Zwar lebten bereits vor 1945 Schwarze in Deutschland, aber die Zahl der überall im Bundesgebiet geborenen nichtweißen Besatzungskinder löste gesellschaftliche Debatten aus.
Aus den Sitzungsprotokollen des Deutschen Bundestages wird der Stand des damaligen Diskurses deutlich: Die „Negermischlinge“, so sagt es CDU-Abgeordnete Luise Rehling in einer Bundestagsdebatte im März 1952, stellten „ein menschliches und rassisches Problem besonderer Art“ dar. Denn „schon allein die klimatischen Bedingungen in unserem Lande“ seien ihnen „nicht gemäß“, so Rehling. Im gleichen Jahr erschien der Film „Toxi“ des Regisseurs R.A. Stemmle über das Mädchen Toxi.
Das Happy End des Melodrams besteht laut dem Spiegel darin, dass „der richtige Negerdaddy aus den Staaten“ anreist und „die Problemstellung des Films wieder aufhebt“: Er nimmt seine Tochter mit in die USA.
Über die „Brown Babies“ in Bremen finden sich zahlreiche Dokumente im Staatsarchiv. Auch das Jugendamt Bremen ordnete den Kindern damals das Schlagwort „Mischlingskinder“ als rassistisches Kriterium zu. Laut einer Auflistung aus dem Jahr 1952 lebten die meisten dieser Kinder in Bremen in ärmeren Stadtteilen, fast die Hälfte in den traditionellen Arbeitervierteln Gröpelingen und Walle.
Die Mütter kümmerten sich meist alleinerziehend um ihre Kinder und bekamen in der Mehrheit staatliche Unterstützung. Laut der Historikerin Silke Satjukow waren die Väter als alliierte Soldaten gesetzlich nicht verpflichtet, sich um ihre Sprösslinge zu sorgen. Oft wurde behauptet, die Mütter – als „Negerflittchen“ oder „Ami-Hure“ diffamiert – wären nur aufgrund finanzieller Vorteile solche Beziehungen eingegangen. Der Hass auf sie wog schwer: Vor allem Kriegsheimkehrer und ehemalige HJ-Mitglieder schnitten ihnen häufig die Haare ab, so die Berliner Historikerin Yara-Colette Lemke Muniz de Faria.
Auch in Bremen führte die Hautfarbe der Kinder zu zahlreichen zutiefst rassistisch geprägten Debatten: „Die Zukunftsaussichten für diese körperlich und seelisch sehr empfindlichen Kinder sind gemischt, wie ihr Blut“, hieß es in einem Artikel der sozialdemokratischen Bremer Volkszeitung aus dem Jahr 1951 mit der Überschrift „Neger adoptieren Mischlingskinder aus Bremen“. 1952 berichten die Bremer Nachrichten über die Einschulung von vier schwarzen Kindern und die Debatte darüber innerhalb der Schulbehörde, ob die schwarzen neben den weißen Kindern auf der Schulbank sitzen oder für sie eine Extraklasse hätte geschaffen werden sollen.
„Was soll nur aus den 47 Mulattenkindern unserer Stadt werden?“, fragt der Autor und kommt wie die Schulbehörde zu dem Ergebnis, dass es richtig sei, sie mit den anderen Kindern einzuschulen: „Die kleinen Mischlinge sind Jungs und Deerns wie die anderen. Das mit der Hautfarbe? Nun, die konnten sie sich nicht wünschen.“
Auch der Autor aber meint: „Das Blut ist nicht auf den deutschen Winter eingestellt“, als er einen Grund dafür sucht, dass das schwarze Mädchen Margaret* im Winter eher zu Hause bleibt. Wenn die schwarzen Kinder erwachsen seien, würde sie „ihre Sehnsucht sicher in die Länder ihrer Väter treiben“.
Nach der Einschulung der ersten „Brown Babies“ 1952 ebbte das Interesse wieder ab und flammte erst mit ihrem Berufseinstieg um 1960 wieder auf, stellt Muniz de Faria fest. Letztendlich zeige der Umgang mit diesen Kindern, dass Rassismus keineswegs mit 1945 endete, sondern in der Nachkriegszeit deutlich präsent war.
Aus den Akten des Jugendamts wird deutlich, dass rassistische Vorurteile zum Alltag in Bremen gehörten. Mindestens auf der Straße waren diskriminierende Sprüche weit verbreitet. Das Kind Rolf Heiner* sei mehrmals „auf der Straße durch andere Kinder gehänselt und beschimpft“ worden, steht da in einer Akte des Jugendamtes und, dass er als „oller Negerjunge“ bezeichnet worden sei. Ein anderes Kind habe sich täglich in der Badewanne geschrubbt und gescheuert mit dem Wunsch „weiß“ zu werden.
In einem Artikel des Weser-Kuriers aus dem Jahr 1959 wird eine Untersuchung des Hamburger Psychologischen Instituts aus dem gleichen Jahr zitiert. Demnach sollen die Kinder „häufig auf irgendeine Form der Ablehnung“ gestoßen sein. Vorurteile seien in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet. Viele Eltern anderer Kinder würden diesen verbieten, mit „Farbigen“ zu spielen.
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