■ Rasende Reporter und brummende Aufnahmegeräte: Die Schiene mit der Supermaschine
Einmal im Jahr ist es soweit. Unruhe packt mich, ich werde nervös, wandere auf und ab. Ich muß wieder ein Stück Text fabrizieren, für das ich ein Bandgerät brauche, ein Mikrofon und einen oder mehrere Menschen, die den Mund aufmachen, am besten gleich mit allem auspacken.
Neulich also stürmte ich los und organisierte die Ausrüstung: nichts Schlimmes, lediglich ein Pfund schwer. Das Mikrofon sah aus wie ein sprungbereites Insekt. Ich unterwarf das Equipment einem Testprogramm und war zufrieden mit den Ergebnissen.
Zwei Tage vor dem Termin mit meinem Informanten traf ich Freund Schröder. Schröder macht ständig so Sachen. Ich erzählte ihm, was ich am Laufen hatte, und er runzelte die Stirn: Fürs Radio wäre der O-Ton dieser Heimwerkeranlagen nicht so toll! Aber keine Panik, er hätte gerade die Profiausrüstung von einem befreundeten Sender geliehen, und die könnte ich, aus alter Freundschaft, gerne für ein paar Stunden haben.
Das Profigerät brachte zwei Kilo auf die Waage und mit sich ein Mikrofon, das wie eine Handgranate aussah. Was mich beruhigte, war, daß das Armaturenbrett nur wenig mehr zu bieten hatte als das einer modernen Kaffeemaschine; zur Sicherheit ließ ich mir dennoch alles zweimal erklären, machte mir Notizen. Da waren wir erst beim vierten Bier, unsere Teststimmen waren noch klar und deutlich.
Absolute Stille war das Resultat, als ich am nächsten Tag den Test mit meinem Gesprächspartner machte. Ohne jede Aufregung fing ich an, nach der wahrscheinlichen Fehlerquelle zu suchen.
Wir hatten fast alle Zeit der Welt; das Flugzeug, das ihn wegbringen sollte, war noch nicht mal durchgecheckt. Auch Dankwart blieb lässig, und um diese durchaus angenehme Atmosphäre zu halten, erzählte ich während des Fummelns von meinem ersten Interview. Ich war achtzehn und schrieb für ein oberbayerisches Provinzblatt über Bagatelldelikte und Jazzkonzerte. Der südafrikanische Pianist Dollar Brand alias Abdullah Ibrahim war bereit, für mich auszusagen! Tagelang hatte ich mich zitternd vorbereitet, sogar über wirtschaftliche Verbindungen mit Westdeutschland. Etwas gelangweilt, am Ende dann mitleidend, wartete er volle zehn Minuten, ob ich es schaffen würde, mit meinem geliehenen Heimwerkergerät klarzukommen. Kam ich aber genausowenig wie jetzt mit der Senderprofianlage. Nur daß ich damals kein Ersatzgerät dabeigehabt hatte!
Dieses holte ich nun raus – und Dankwart amüsierte sich: Das Mikrofon hätte ich wohl selbst zusammengebastelt! Der folgende Test brachte beste Ergebnisse, und ich schimpfte mich, daß ich mich auf diese Schiene mit der Supermaschine überhaupt eingelassen hatte. Zwei Stunden später hatte ich ein hochinteressantes Gespräch mitgeschnitten über das Leben, die Bücher, die Platten, den Sport und die Zeit, wenn die Show vorbei ist und sich so viele auf diese oder jene Art aufhängen. Ich hatte die Sache mit dem Bandwechsel gemeistert, und ich hatte den neuen Aspekt gebracht, wenn uns ein Hänger gekommen war; diesen ganzen dumpfen Kram, ich hatte ihn im Griff gehabt.
Dann hechtete Dankwart zum Flugzeug, und ich hörte mir den Anfang kurz an. Dann hörte ich mir den Schluß kurz an. Jedes Wort verständlich. Aber von der ersten Sekunde nach dem Test an mit einem hammermäßigen Brumm. Als O-Ton fürs Radio allenfalls akzeptabel, wenn es der Kommandant einer Revolutionsarmee im Kugelhagel gesagt hätte. Und ich erinnerte mich, daß ich mit demselben Gerät schon einmal gearbeitet hatte, ein hochinteressantes Gespräch mit einem renommierten Filmkritiker, der im Nebenberuf Staatsanwalt ist. Auf dem Band war kein Ton gewesen, kein Brummen, nichts.
Sicher, ich ärgerte mich. Zum Mond fliegen, aber keine idiotensicheren Aufnahmegeräte hinkriegen! Aber ich war auch ein wenig stolz darauf, daß ich immerhin irgendwie Fortschritte gemacht hatte. Und nach all den Jahren, auf dem Sprung ins nächste Jahrtausend, kam ich zum erstenmal auf die Idee, ich sollte vielleicht öfter was damit machen. Franz Dobler
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