Rapid Wien gegen HSV: Narrische Ösis auf Tour
Im September hat der SK Rapid den HSV paniert wie ein Schnitzel. Heute ist er zu Gast in Hamburg. Ein Fan macht sich mit 7.000 Gleichgesinnten auf gen Norden.
Wiens Pkw-Besiedelung wird immer dichter. Daher bittet mein Sohn den "Park-Engel" hie und da um himmlischen Beistand bei der Suche nach einem Parkplatz in Stadionnähe. An jenem Tag, an dem der damalige Tabellenführer der deutschen Bundesliga im Ernst-Happel-Stadion gastierte, beschwor mein Spross den von ihm selbst erdachten "Rapid-Engel": Er möge doch machen, dass die Lieblingsmannschaft seines Papas gewinnt.
Ich war gerührt, und der mir bis dahin unbekannte Himmelsbote tat, wie ihm geheißen. Wie sonst ist es zu erklären, dass der haushohe Favorit aus Hamburg in Wien wie ein Schnitzel paniert wurde? Und lässt sich jetzt auch in Hamburg Panade auftragen?
Dabei war Rapids Saisonstart bescheiden. Erst mit dem Besuch von Aston Villa in der vierten Qualifikationsrunde für die Europa League machte es klick. Nach bereits 16 Sekunden nickte Rapidler Nikica Jelavic zum 1:0-Endstand ein. Dieses Blitztor sollte der Treibstoff für eine Leistungsexplosion sein. Denn einen Krimi im Villa Park später war die Gruppenphase der Europa League bejubelte Realität.
Am 17. September, um zirka 20.35 war die grünweiße Europacup-Euphorie am Siedepunkt. Christopher Drazan hatte soeben Frank Rost bezwungen, Rapid führte gegen den großen HSV mit 3:0. Und das ausgerechnet in dem Oval, das nach dem größten Trainer der Hanseaten benannt ist. Ernst Happel war aber auch Star-Ballesterer beim SC Rapid und saß offenbar auf einer Wolke mit dem Rapid-Engel, um die Sensation von oben zu steuern.
Das nächste Highlight folgte, als die Hütteldorfer einen Punkt aus dem Celtic Park entführten. Dass sowohl die Hamburger als auch die grünweiße Verwandtschaft aus Schottland nicht in Hochform agierten, wurde wissentlich ignoriert. Unkenrufer sind nicht erwünscht, wenn der tabellarische Sonnenplatz den eigenen Klubnamen anzeigt. Am dritten Spieltag dann der Auftritt in Tel Aviv. Zur Pause stand es 1:1, doch bevor das Spiel Zählbares bringen konnte, riss der Film. Eineinhalb Spiele und sieben Gegentreffer später war Rapid am brettlharten Boden der Realität bruchgelandet.
Jetzt steht der Elf von Peter Pacult das Wasser bis zu den Nasenlöchern, und trotzdem klammern sich die Hütteldorfer an einen wackeligen und brüchigen Strohhalm namens HSV. Doch während sich die Labbadia-Elf immer wieder in einer der stärksten Ligen Europas hervortut, ist Rapid vergleichsweise Kaiser in der Provinz und hat einen Etat, der im direkten Vergleich wirkt wie eine ausgedörrte Rosine gegenüber einer prallen Weintraube. Doch auch den Hanseaten geht gewissermaßen der Saft aus. Nach hochkarätigen Ausfällen mangelt es an einer Stammelf mit geschärften Automatismen, was dem Underdog aus dem Ösi-Land nur recht sein kann.
Das Momentum spricht aktuell auch für die Wiener - so objektiv muss man schon sein. In den letzten drei Spielen wurde gegen die direkte Konkurrenz so überzeugend gespielt, dass die sieben ergatterten Punkte Rekordmeister Rapid an die Tabellenspitze spülten. Der HSV hingegen schwächelt - seit sieben Pflichtspielen ist man ohne Sieg, zwei Heimniederlagen hintereinander machen uns motivierten Tagträumern Hoffnung auf eine Fortsetzung dieser Serie. Es bleibt aber unumstößlicher Fakt - ein Sieg im Norden Deutschlands wäre eine Sensation. Wiener mögen ja morbid und grantig sein, aber nicht deppert.
Rapids internationale Glanzzeit mit zwei Finalteilnahmen liegt ja schon länger zurück, ähnlich wie der HSV-Triumph im Europapokal der Landesmeister. Am Mittwochabend zählt Nostalgie aber ohnehin nix, sind die einstigen Erfolge nur eine Verklärung des Jetzt. Der Loser-Rolle zum Trotz werfe ich noch eine riesige Phrasenschweinerei ins Spiel: "Aufgegeben werden Briefe." Fragen sie nach bei "Postler" Peter Pacult. Der ist nämlich nicht nur Rapid-Trainer, sondern auch Exbriefträger. Die 7.000 Fans des SK Rapid Wien werden in der Hamburger Arena in jedem Fall ihren Stempel hinterlassen. Die Mannschaft auch?
Gegen die norddeutsche Kick-Prominenz könnte ein Dreigestirn an Übernatürlichkeit helfen. Da wäre einmal Rapids klubeigener Fußballgott aka Steffen Hofmann. Der Würzburger ist Herz, Hirn und Lunge des SCR, denkt großen Fußball und führt ihn in guten Zeiten auch aus. Sieger-Spirit könnte auch vom stolzen "Weana-Kind" Happel aus dem Jenseits kommen. Und zu guter Letzt werde ich meinen Sohn vor dem Flug nach Hamburg dazu nötigen, wieder einen Sieg beim Rapid-Engel in Auftrag zu geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben