Rap und Islam: Mutterficker und Dschihadisten
Es sollte eine Diskussion sein. Doch während das Podium in der Berliner Berghain-Kantine nur Klischees reproduzierte, war das Publikum unterfordert.
BERLIN taz | Nach eineinhalb Stunden hat das Publikum genug. Das Mikrofon geht herum. „Wer hat bitteschön so ein schlechtes Podium zusammengestellt?“, fragt eine Frau und erntet Applaus. Auf der Bühne: betroffene Gesichter von Diskussionsteilnehmern, die im Thema des Abends nicht annähernd so bewandert sind wie ihre Zuhörer.
Dabei hatte die Veranstaltung am Mittwochabend durchaus Potenzial. Die Polit-Rap-Show Raputation.tv lud in die Berliner Berghain-Kantine, volles Haus. Junge Frauen in Baggypants und Turban saßen zwischen Jungs mit Hornbrille und Bierflasche. Das Thema: „Rap und Islam“ – ein diskursives Minenfeld, auf das sich nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo unter anderem das Feuilleton der Zeit gestürzt hatte.
Es könne ja kein Zufall sein, so die Zeit-Argumentation, dass der islamistische Attentäter Chérif Kouachi zu Jugendzeiten Rapper war. Außerdem gebe es da auch noch den Berliner Rapper Denis Cuspert alias Deso Dogg, der inzwischen in Syrien zum Pressesprecher des Islamischen Staats aufgestiegen ist. Überhöhte Männlichkeit, Gewalt, Abkehr von den Werten der Mehrheitsgesellschaft – so viele Gemeinsamkeiten zwischen Gangsta-Rap und Dschihad. Da müsse doch eine Verbindung bestehen.
„Wenn die beiden Bäcker gewesen wären“, sagt ein smarter Kollege, der neben mir sitzt, „würden die heute über Islam und Backwaren sprechen?“ Auf dem Podium kommen solche Überlegungen nicht zur Sprache. Überhaupt wird der Islam erst sehr spät und auch nur ganz vorsichtig als Randnote erwähnt. Moderator Ekrem Senol, Herausgeber des Migazin und selbsternannter „Otto Normalverbraucher“, will erst mal völlig wertfrei wissen, ob HipHop imstande sei, Jugendliche zu beeinflussen. Gähnen im Publikum.
Ein eindimensionales Lebewesen
Immerhin haben zwei von sechs Diskutanten etwas mit Rap am Hut. Marcus Staiger, Gründer des Plattenlabels Royal Bunker und Bushido-Biograf, nutzt den Auftritt, um sich über die kleinbürgerlichen Ambitionen von Gangsta-Rappern zu mokieren: „Da wird gehustlet, um am Ende der Mama ein Haus im Grünen zu kaufen.“ Aha.
Jens „Spaiche“ Ihlenfeldt, Gründer von Aggro Berlin, darf beantworten, warum die Künstler auf seinem einst so erfolgreichen Label häufig frauenfeindliche und gewaltverherrlichende Texte schrieben. Er zuckt mit den Schultern. „Weil’s Spaß gemacht hat.“ Klar, was soll er sagen.
Sineb El Masrar wiederum, Herausgeberin der Frauenzeitschrift Gazelle, gibt offen zu, dass sie keine Ahnung hat. Aber vor dem Event habe sie ein paar Videos des Rappers Farid Bang gesehen und dabei Grenzwertigkeiten festgestellt, die sie nicht gerade stolz auf die gemeinsamen marokkanischen Wurzeln machten: „In dem einen Lied geht es um das Begatten diverser Mütter. Im anderen um den Traum, seiner Mama ein Ticket nach Mekka zu finanzieren. Da frage ich mich schon, wie das zusammenpasst.“
Spätestens an dieser Stelle hätte sich eine Diskussion entfalten können, über Widersprüche, Selbstinszenierungen, vielleicht sogar die Nation of Islam. Aber nein. Begriffe wie „Kunstfigur“ fallen gar nicht erst. Der Gangsta-Rapper ist am Mittwoch ein eindimensionales Lebewesen ohne rhetorische Brechung. Der Dschihadist dagegen bleibt freundlicherweise komplett abwesend. Migrantische Rapper werden zu muslimischen Rappern, Unterschiede zwischen politischem Islam und Glaubensgemeinschaft spielen keine Rolle.
„Ist denn jemand im Raum, der sich gleichzeitig als Muslim und als Rapper identifiziert?“, fragt das überforderte Podium. Einer springt auf die Bühne. Er spricht vom bösen Kapitalismus und seiner Dankbarkeit, Teil der Schöpfung sein zu dürfen. Mutterfickende Straßenrapper sowie Dschihadisten, das seien alles traurige Menschen, die sich auf dem falschen Weg befänden. Eine fragwürdige Wortmeldung, doch immerhin wird kapiert, worum es geht. Die geladenen Sprecher tun das bis zuletzt nicht.
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