Rakete mit Kernmodul gestartet: China baut eine Raumstation
Während das Ende der internationalen Raumstation ISS naht, beginnt die Volksrepublik mit dem Bau eines eigenen Außenpostens im Weltraum.
Zehn Minuten nach dem Start trennte sich das Modul erfolgreich von der Rakete, was lauten Applaus im Kontrollzentrum auslöste. Wenig später erreichte „Tianhe“ auch seine vorbestimmte Umlaufbahn, wie chinesische Staatsmedien berichteten. Chinas Premier Li Keqiang verfolgte den Start vom Raumfahrtzentrum in Peking aus.
Vor knapp drei Jahrzehnten war mit den ersten Plänen für den Bau eines chinesischen Außenpostens im All begonnen worden. „Allgemein demonstriert eine Raumstation die Breite der Raumfahrttechnik in einem Land“, sagte der frühere deutsche Astronaut Reinhold Ewald, heute Professor an der Universität Stuttgart, der Deutschen Presse-Agentur.
„Tianhe“ ist 16,6 Meter lang und hat einen Durchmesser von 4,2 Metern. Es ist das größte Raumschiff, das China bisher gebaut hat. Drei Raumschiffe können gleichzeitig andocken – zwei auch für längere Zeit.
Unterkunft für drei Taikonauten
Das Kernmodul sorgt für Strom und Antrieb. Es bietet Unterkünfte für drei Astronauten, die in China Taikonauten genannt werden und bis zu sechs Monate an Bord bleiben können. Zwei ähnlich große Teile für wissenschaftliche Experimente sollen t-förmig angebaut werden.
In den kommenden Wochen sollen zwei weitere Raumflüge dicht nacheinander folgen. Im Mai könnte schon das Cargo-Raumschiff „Tianzhou 2“ mit Treibstoff und Versorgungsgütern andocken.
Auch bereiten sich drei Taikonauten vor, an Bord von „Shenzhou 12“ möglicherweise im Juni zu „Tianhe“ zu fliegen. Die Bauphase erfordert einen gedrängten Flugplan: Insgesamt sind elf Flüge geplant – drei Flüge mit Modulen, vier Frachtmissionen und vier bemannte Raumflüge.
Wenn die veraltete internationale Raumstation ISS wie geplant in den kommenden Jahren ihren Dienst einstellt, wäre China danach die einzige Nation, die einen ständigen Außenposten im Weltraum betreibt.
Wegen strategischer Bedenken der USA war China nicht eingeladen worden, an der internationalen Raumstation mitzuwirken.
Chinas „Himmelspalast“ ist viel leichter als die ISS
Chinas Raumstation, die am Ende „Tiangong“ (Himmelspalast) heißen soll, wird nur etwa ein Sechstel der Masse der ISS haben, die es auf mehr als 400 Tonnen bringt. „Himmelspalast“ sei eher mit der früheren russischen Raumstation „Mir“ vergleichbar, sagen Experten.
Zwar wurde die ISS schon als zu groß kritisiert, doch biete Größe mehr Raum für Forschung, für Astronauten und mehr Sicherheit in Notfällen, hieß es.
Neben wissenschaftlichen Versuchen in Schwerelosigkeit, im Vakuum und unter Strahlung bietet „Tiangong“ dem chinesischen Raumfahrtprogramm neue Möglichkeiten, um die nötigen Voraussetzungen für weitere Missionen im Weltall zu erfüllen.
„Es lässt sich testen, wie Menschen ins All vorstoßen können und was man auf dem Weg zum Mond oder Mars noch braucht“, sagte Ex-Astronaut Ewald, der 1997 an Bord der „Mir“ war und später federführend die Flüge europäischer Kollegen zur ISS vom Boden aus unterstützt hat.
Probleme mit Trägerrakete sorgten für Verzögerung
Die Raumstation könne dazu genutzt werden, bessere Lebensverhältnisse im All und neue Systeme für weitere Missionen zu entwickeln.
Mit seinen beiden vorherigen Raumlaboren „Tiangong 1“ und „Tiangong 2“ hat sich China langsam an das komplexe Vorhaben herangearbeitet, das 1992 erstmals in der Planung für das Raumfahrtprogramm konkret ins Auge gefasst worden war.
Bei den Flügen wurden neben Rendezvous und Auftankmanövern auch die ersten chinesischen Weltraumspaziergänge geübt.
Eigentlich sollte der Bau der Raumstation schon früher starten, aber Probleme mit der neuen, besonders leistungsfähigen Trägerrakete sorgten für Verzögerungen. Das Programm wurde dafür jetzt verdichtet, um wie ursprünglich geplant 2022 fertig zu werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren