Rainer Schäfer Radikale Weine: Bastarde und Vanillegeruch
Eine der größten Plagen des Rebstocks ist die Peronospora, auch bekannt als Falscher Mehltau. Eine Pilzkrankheit.
Gleich mehrere Pilzarten machen Wein und Winzern zu schaffen. Eine Lösung für dieses Problem sind die Piwis, kurz für pilzwiderstandsfähige Sorten. Sie werden durch eine Kreuzung gezüchtet: europäische Reben sind für Pilzkrankheiten anfällig, gelten aber als edler im Geschmack; amerikanische Wildreben verfügen hingegen über gute Resistenzen.
Unter Winzern sind Piwis umstritten und werden mitunter als „minderwertige Bastarde“ abgekanzelt. Der Ökoweinbauer Andreas Stutz hingegen beschäftigt sich intensiv mit ihnen. Stutz ist ein Mann mit Prinzipien. Im Herbst, zur Erntezeit, weiß er, wo er hingehört: in die Weinberge. Dann geht er auch nicht für ein Gespräch ans Telefon.
Stutz, 46, führt in Heilbronn gemeinsam mit seiner Partnerin Karolin Neugebauer, 52, eines der besten Ökoweingüter des Landes. Als Stutz 1994 den Betrieb übernahm, stand für ihn fest, dass auf chemisch-synthetische Hilfsmittel wie Nitrate, Herbizide und eben auch pilztötende Fungizide verzichtet wird. Stattdessen stärkt er seine Reben mit Schachtelhalmtee, Algenextrakt, Gesteinsmehl und Kieselsäure. Um sich zu behaupten, mussten Stutz und Karolin Neugebauer Rückgrat zeigen: Im schwäbischen Unterland brauchte es nicht viel, um als Abweichler zu gelten. Das Winzerpaar ließ sich nicht beirren und baut inzwischen auf 16 Hektar Reben wie Riesling, Grauburgunder und Lemberger an.
Aber zurück zu den Piwis. Das Weingut Stutz hat ihre Qualitäten schätzen gelernt und inzwischen über ein Dutzend Sorten im Anbau, darunter den Cabernet Blanc. „Sie sind aromatisch fein“, sagt Karolin Neugebauer, man käme mit viel weniger Pflanzenschutzmitteln aus und auch für Allergiker seien sie „gut verträglich“.
Cabernet Blanc 2016, 15,50 Euro, Bezug über weingut-stutz.de
Am Heilbronner Stiftsberg steht der Cabernet Blanc auf Keuper-Verwitterungsboden. Im vergangenen Jahr vinifizierte Stutz den Wein erstmals in Barriquefässern aus französischer und slowenischer Eiche. Er wurde unfiltriert abgefüllt. Der Cabernet Blanc riecht nach schwarzer Johannisbeere, Aprikose, frisch gemähtem Gras und Vanille. Am Gaumen zeigt er sich geschmeidig, fein balanciert. Es ist ein Wein, der beeindruckend widerlegt, dass Piwis ökologisch wertvoll, aber im Ausdruck begrenzt seien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen