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Rainer Schäfer Radikale Weine

Die Grillnation hat aufgerüstet. Immer öfter muss der altgediente Dreibein-Rundling der großformatigen Hightechstation weichen. Und längst liegen nicht nur Würstchen auf dem Rost, sondern auch edlere Fleischstücke wie ­T-Bone-Steak oder Dry Aged Beef. Die beim Grillen entstehenden Röstbitterstoffe wissen indes auch Genießer von Gemüse und Fisch zu schätzen.

Demgegenüber bewegt sich der Weingenuss am Grill hierzulande auf einem „beschämend banalen Niveau“ – das jedenfalls sagt Martin Kössler, einer der konsequentesten Händler von natürlich erzeugten Weinen in Deutschland. Häufig gäbe es nur „Weine von der Stange“. Das sorgfältig zubereitete Grillgut aber fordere Weine, „deren Mundgefühl physisch spürbar“ sei und die Raucharomen gekonnt aufgreifen.

Dunkles Fleisch vom Rind oder Lamm etwa verlangt nach Rotweinen wie Syrah, Cabernet Sauvignon oder Lemberger, die Saft, Struktur und Gerbstoffe zeigen und auch würzigen Marinaden und Dips gelassen begegnen. Martin Kösslers Empfehlung ist die charakterstarke Cuvée Loi von der Côtes du Rhône (Foto) mit feinkörnigen Gerbstoffen und einer perfekten Balance zwischen Textur und Lebendigkeit.

Weißweine mittlerer Statur von Rebsorten wie Silvaner, Riesling, Weiß- oder Grauburgunder vertragen sich bestens mit Gemüse, hellem Fleisch, Fisch, Krustentieren oder Würsten. Kösslers Weißweintipp: der Silvaner vom Weingut Wagner-Stempel, mit seinem appetitanregenden Mundgefühl und seiner kräuterigen Würze.

Der heimliche Star der Grillsaison ist jedoch ein trockener Rosé. Wie der Un Grain de Folie vom französischen Naturweinerzeuger Domaine Mâmârutá: ein eigenwilliger und höchst animierender Wein aus Syrah und Grenache mit Gerbstoffen, Saft und Zug. Er macht sich gut zu Grillwurst, Steak, Geflügel, Fisch mit kräftigen Grillaromen und auch zu Vegetarischem – ein echter Allrounder.

Eine Wissenschaft sollte man aus der Suche nach dem geeigneten Grillwein jedoch nicht machen. Letztlich gilt: Erlaubt ist, was Spaß macht. Und die Regel, dass zu hellem Fleisch und Fisch Weißwein gehöre und zu dunklem Fleisch Rotwein, gilt längst als überholt. Gerade ein über dem Feuer mit Kräutern gegrillter Fisch wird auch von einem leicht gekühlten Spätburgunder oder Tempranillo gekonnt begleitet.

So viel zur Theorie. Jetzt aber zur Praxis – und ran an den Grill.

Loi 2015, Domaine Saladin, 14,90 Euro; Silvaner 2016, Weingut Wagner-Stempel, 8,80 Euro; Un Grain de Folie 2016, Domaine Mâmârutá, 8,90 Euro. Alle Weine sind über www.weinhalle.de zu beziehen.

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