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Rainer Schäfer Radikale Weine

Das kann nicht dein Ernst sein, Johanna, da musst du Tabletten gegen Sodbrennen beilegen.“ Als Johanna Bossert mit 24 Jahren ihren ersten Wein abfüllte, fiel das Urteil ihres Vaters Hermann kernig aus.

Es war ein Riesling mit selbstbewusster Säure aus dem Jahr 2013. Die junge Winzerin aus dem rheinhessischen Gundersheim war kurz geknickt. Doch verlor sie nicht das Vertrauen in ihren Debütwein, der unmittelbar nach der Füllung noch nach Balance suchte. Vier Wochen später wusste sie: „Das ist mein Wein. Er ist genau so, wie ich ihn haben wollte.“

Ausdauer und einen starken Willen musste Johanna Bossert auch während ihrer Ausbildung in den Weingütern Georg Fromm in Graubünden und Bassermann-Jordan in der Pfalz zeigen. Um anerkannt zu werden, habe sie mehr leisten müssen als die männlichen Auszubildenden: „Als Frau ist es immer noch schwierig in dieser Branche.“ Von derlei Widerständen lässt sich die 27-Jährige nicht beirren. Sie prescht gern nach vorne und kann auch gut gegen den Strom schwimmen, wie sie sagt.

Als sie nach dem Weinbaustudium ins elterliche Weingut zurückkehrte, „quatschte sie dem Vater ein paar Parzellen ab“, mit Riesling, Spät- und Weißburgunder. Die begann sie gemeinsam mit ihrem fünf Jahre älteren Bruder Philipp nach eigenen Vorstellungen zu bewirtschaften.

Hermann Bossert war dar­über nicht unglücklich: Die Rebzeilen in den Lagen Höllenbrand und Königstuhl waren ausgerechnet diejenigen, die er am wenigsten schätzte.

Vater Bossert ist ein Maschinenwinzer, der Arbeit gern mechanisch ausführt. Er produziert Weine, über die man nicht lange philosophieren muss. Das Geschwisterpaar dagegen verrichtet „nahezu 100 Prozent Handarbeit“, um ihr Weinideal zu erreichen. Frische ist dabei ein großes Thema: Gundersheim liegt im sonnenverwöhnten Wonnegau, wo die Weine „marmeladig“ schmecken können, wenn man die Trauben zu lange der Sonne aussetzt.

Ein Unding für Johanna Bossert. „Wir haben keine Angst vor Säure“, sagt sie. Die soll allerdings gut eingebunden und verträglich sein. Ihr Weißburgunder duftet nach Blüten und Honigmelone, er verbindet kompakte Fülle mit animierender Frische. Schon nach vier Ernten zählt Johanna Bossert zu den begabtesten jungen Winzerinnen im Land.

Auch Hermann Bossert ist inzwischen von seiner Tochter überzeugt: Er hat ihr noch weitere Weinberge abgetreten.

Gundersheimer Weißburgunder 2015, Weingut Bossert, 15,70 Euro, Bezug über www.bossert-weine.de

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