Rainer Ferslev über HSV-Ausverkauf: „Die Aasgeier warten schon“
Auf der Mitgliederversammlung des HSV will Anwalt Rainer Ferslev mit Ex-Präsident Jürgen Hunke den Durchmarsch der Initiative HSV Plus stoppen.
taz: Herr Ferslev, warum wollen Sie und Ihre „HSV-Allianz“ auf der Mitgliederversammlung am Sonntag die Verschiebung der Abstimmung über die Ausgliederung beantragen?
Rainer Ferslev: Ich kann es nicht ab, wenn jemand am Boden liegt und dann noch einen Tritt bekommt. Und ich rege mich darüber auf, wie hier die Aasgeier darauf warten, sich über den Verein herzumachen. So wie die Ausgliederung jetzt geplant ist, ist das eine Einladung an Renditejäger. Ich möchte, dass wir Zeit gewinnen, das Konzept zu verbessern. Die sportliche und administrative Führung gehört auch nach unserer Meinung sofort ausgetauscht.
Aber grundsätzlich wehren Sie sich nicht mehr dagegen, dass der HSV zur Fußball AG wird?
Nein. Ursprünglich hatte ich zwar ein anderes Ausgliederungskonzept vorgeschlagen, aber auf der Mitgliederversammlung im Januar hat das kapitalorientierte Bayern-München-Modell der Initiative HSV Plus fast 80 Prozent der Stimmen bekommen, und dem beuge ich mich als Demokrat. Aber nun möchte ich auch, dass die Ausgliederung so umgesetzt wird, wie damals beschlossen.
Warum sehen Sie das nicht als gegeben an?
Der zentrale Punkt ist: In der vorliegenden Satzung der AG steht drin, dass der Geschäftsbetrieb der ausgegliederten Gesellschaft noch einmal ausgegliedert werden kann. Eine solche Holding-Klausel war ursprünglich nicht drin.
Warum ist die denn so gefährlich?
In der HSV Fußball AG ist der Präsident des Vereins ja immerhin noch einer von sechs Aufsichtsräten. Wenn das ein aufrechter Mann ist, könnte er ja stören. Wenn aber die Fußball AG auf eine neue Beteiligungsgesellschaft übertragen wird, kann auch dieser Einfluss ausgeschaltet werden. Allein diese Möglichkeit zu schaffen zeigt doch, dass da Leute im Hintergrund sitzen, die sich gesagt haben: nun machen wir es aber richtig passend für das Kapital.
HSV Plus sagt, nur strategische Partner kämen als Investoren in Frage und niemand, der auf Profitmaximierung aus ist. Für die sei die HSV AG sowieso uninteressant, weil sie ohnehin überhaupt keinen Tauschwert beinhalte.
Das ist doch bloß Gerede. Bei Hertha BSC hat sich im Herbst letzten Jahres die amerikanische Heuschrecke KKR mit 62 Millionen Euro beteiligt – für 9,7 Prozent der Anteile. Das sind doch knallharte Rechner, die ihren Leuten Rendite bringen müssen. Offensichtlich ist in der Bundesliga viel Geld zu verdienen. Das ist die neue Bedrohung, die Einzug erhält, wenn wir nicht aufpassen. Das sehen Sie auch daran, dass die Raute und das Stadion an die AG übergehen sollen. Da steckt die Kohle drin.
61, ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Insolvenzrecht in Hamburg und will auf der Mitgliederversammlung für den Aufsichtsrat kandidieren.
Aber für die Übertragung der Raute gibt es laut HSV Plus vor allem auch steuerrechtliche Gründe.
Es ist richtig, dass das ein schwieriges Thema ist. Aber im Ausgliederungsbericht steht ja nicht einmal drin, dass es gesetzeskonforme Möglichkeiten gibt, die Raute im Vereinsvermögen zu belassen. Das ist eine Sauerei, da wird gelogen, dass sich de Balken biegen. Die Raute ist doch kein einfaches Design, das ist ein Mythos!
Wer sind denn nun diese „Aasgeier“, wie Sie es nennen, die sich die Raute einverleiben wollen?
Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Ich verstehe aber etwas von Verträgen und Satzungen und sehe, welches System dahintersteckt. Und ich sehe, dass das alles von einer Werbeagentur über ein Jahr vorbereitet wurde – für einen Gegenwert, der nach unseren Informationen irgendwo zwischen 300.000 und 400.000 Euro liegt. Und das alles für nichts? Da glaube ich nicht dran.
Welche Rolle spielt der Initiator von HSV Plus, Ernst-Otto Rieckhoff, in dem System?
Die des rührigen Hanseaten, der vorgeschickt wird, damit alles einen seriösen Anstrich hat. Ich lass mal dahingestellt, ob er alles durchschaut, was in seinem Namen passiert.
Falls Ihre Analyse zutrifft, ließe sich gerade halb Hamburg hinters Licht führen, inklusive der Anhänger des Vereins und einem großen Teil der Presse. Warum durchschauen die das nicht?
Die Leute sind verzweifelt darüber, wie ihr großer Verein heruntergewirtschaftet wurde, und dann kommt ein Heilsbringer mit einer traumhaften Werbekampagne und vermittelt: hier kommt das Geld, hier kommt die Lösung, wir können es schaffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz