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Räumung der Liebig 14"Dann darf er nicht räumen"

Der Bewohner-Anwalt kritisiert das Verhalten von Gerichtsvollzieher und Polizei während der Räumung. Komunikation habe es kaum gegeben

Die Liebe half nicht - das Haus wurde trotzdem geräumt. Bild: dpa, Michael Kappeler
Interview von Svenja Bergt

taz: Herr Althoff, wie haben Sie die Räumung erlebt?

Max Althoff: Ich habe die Räumung relativ hilflos erlebt, weil mir jeglicher Kontakt zur Einsatzleitung und zum Gerichtsvollzieher verweigert wurde. Es hieß immer, der Gerichtsvollzieher sei für mich nicht zu sprechen. Das wurde mir sowohl telefonisch als auch mündlich von Polizeibeamten vor Ort ausgerichtet.

Ist das ein übliches Vorgehen?

Max Althoff

38, ist Anwalt mit Schwerpunkt Mietrecht. Der ausgebildete Mediator vertritt die geräumten Bewohner der Liebig 14.

Ich habe so etwas noch nicht erlebt.

Haben Sie einen Anspruch darauf, in so einer Situation zu Ihren Mandanten ins Haus zu kommen, oder ist es nur schlechter Stil, wenn Sie nicht vorgelassen werden?

Meine Mandanten haben einen Anspruch darauf, dass ein Besitzanspruch, der geltend gemacht wird, auch überprüft wird.

Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hatte am Dienstag einen Eileinspruch gegen die Räumung zurückgewiesen. Daraufhin haben Sie Beschwerde vor dem Landgericht eingereicht.

Genau, das Landgericht hat festgestellt, dass es die Besitzverhältnisse nicht überprüfen könne. Das müsse der Gerichtsvollzieher vor Ort machen. Wenn der Gerichtsvollzieher festgestellt hätte, dass es in den Wohnungen im Haus Besitz des Vereins Liebig 14 gibt, dann hätte er das nicht räumen lassen dürfen. Denn er darf nur Besitz von Personen räumen, gegen die er einen Titel hat. Und gegen den Verein liegt kein Räumungstitel vor.

Wie soll man denn in der Praxis überprüfen, ob das Sofa und der Tisch jetzt dem Verein oder einer Person gehören, gegen die es einen Räumungstitel gibt?

Das ist tatsächlich nicht so ganz geklärt. Aber wenn der Gerichtsvollzieher auf Wohnungen stößt, die eine andere Person nutzt als die, die im Räumungstitel steht, dann darf er nicht räumen. Es gibt immer wieder Fälle, in denen Gerichtsvollzieher nicht willens sind, sich daran zu halten. Aber ich erinnere mich an einen Fall, in dem zumindest die Gerichtsvollzieherin, der andere Anwalt, der Einsatzführer der Polizei, der Untermieter und ich zusammen im Polizeiwagen saßen und versucht haben, die Lage zu erörtern. Es ist also durchaus ein übliches Vorgehen, dass man miteinander kommuniziert. Was man problemlos hätte beweisen können, ist, dass sich sämtliche Schlüssel im Besitz des Vereinsvorstandes befinden. Der Vorstand wäre jederzeit in der Lage gewesen, damit Zutritt zu gewähren. So hätte man auch das gewalttätige Aufbrechen der Türen verhindern können.

Wie erklären Sie sich dieses Verhalten?

Jeder hat, seitdem wir den Gerichtsvollzieher angeschrieben haben, versucht, die heiße Kartoffel weiterzureichen. Keiner wollte damit etwas zu tun haben. Und jetzt ist sie wieder beim Gerichtsvollzieher gelandet. Und der wollte auch nichts damit zu tun haben und hat sich dementsprechend verhalten. Die Botschaft des Vorgehens der Gerichte und des Gerichtsvollziehers, die an linke Hausprojekte und Freiräume gesendet wird, lautet daher faktisch: Der Rechtsstaat steht für euch nicht zur Verfügung.

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8 Kommentare

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  • S
    sanjo

    ich bin echt traurig heute morgen! Es ist für unseren Kiez ein echter Verlust. Linke Projekte hier haben immer auch vor rechter Überhand und Übergriffen geschützt, das wird leider immer vergessen. Wir brauchen die Linken hier!

    Und liebe Leute, informiert euch richtig: Niemand hat dort "for free" gewohnt, das ist kompletter Unsinn. In diesem Haus wohnten Menschen, die legale Mieverträge hatten und Miete bezahlt haben, wie alle anderen auch.

    Sie wurden kurzerhand mit einem vollkommen überzogenen Polizeieinsatz auf die Straße gesetzt und das vor allen Augen und man konnte nichts tun. Ich nenne es Mut für das zu kämpfen von dem man überzeugt ist. In diesem Sinne habe ich respeket vor diesen Menschen, die underen Kiez so schön bunt gemacht haben.

  • J
    Jonas

    "vor sich hingammeln" und "spekulationsobjekt"

    Denk doch mal ein bisschen nach micha.

    Der Spekulant braucht ne Rendite. Das Ding nur halbwegs saniert (Luxuslofts bringen dort sicher nichts) und zu 7-8 Eur kalt vermietet, bringt dem Spekulanten trotz der Nachbarschaft, trotz der versifften Gegend und trotz der drohenden Farbattacken locker ne Rendite von 5% im Jahr. Sicher muss er erstmal ne Weile warten, bis sich die Gemüter wieder beruhigt haben, aber jeder Monat ist einer ohne Rendite. Sicher wirds auch länger dauern, das Ding zu säubern, entrümpeln, entkernen als bei nem Haus, dass nicht an Messis vermietet war, aber das kriegen Spezialfirmen auch hin.

     

    Die Brunnenstraße steht übrigens noch leer, weil die Bewohner dort jahrelang im eigenen Kot lebten. Wegen eines defekten Abflussrohres war der Keller meterhoch überflutet, was die Bewohner offenbar nicht störte. Das zu sanieren und zu entgiften ist selbst für nen reichen Arzt kein Kinderspiel. Solltest du eigentlich wissen. Über Kronawitters Pech mit der Immobilie lacht man sich auch bei indymedia schlapp.

  • M
    micha

    @Jonas:

    Du scheinst dir ja sehr sicher zu sein, mit dem Zeitplan für die L14. Vielleicht solltest du das noch einmal überdenken, ich schlage vor, einmal an der Brunnenstraße 183 vorbei zu gehen. Die sieht immer noch genau so aus, wie die Polizei sie am 24.11.2009 zurückgelassen hat. Die Liebig wird in 2 Jahren nur vor sich hingammeln, als "spekulations-objekt". Nix "Kinder im Hof", leider.

    (Wäre allerdings schön, wenn du recht behalten würdest!)

  • SF
    Sissy Fuß

    Wenn man manche Kommentare liest, fragt man sich, unter welchem Stein die Autoren hervorgekrochen sind. Das Haus Liebigstraße ist schon seit mindestens 15 Jahren nicht mehr besetzt, die Bewohner hatten Mietverträge und zahlten ihre Miete. Wenn Euch solche Fakten nicht interessieren, warum bleibt Ihr nicht bei Euren Niveauzeitungen B.Z., Bild und Kurier? Da findet Ihr im Forum genug andere bornierte Schlafmützen.

  • TS
    Tina Schubert

    Von den Kommentatoren an dieser Stelle scheint niemand informiert zu sein. Es geht hier nicht um "Wohnen for free" wie es so "elegant" formuliert wurde. Für die Liebigstraße 14 existierten Mietverträge und die Bewohner zahlten Miete.

     

    Abgesehen davon zahlt der Steuerzahler nun mehr Steuern für einen Polizeieinsatz gegen die Menschen, die durch die Rechtsstaatlichkeit keine Unterstützung erfahren haben und sich nicht anders zu helfen wissen als auf die Straße zu gehen, als das gesamte Haus beim Verkauf eingebracht hat.

     

    Dies zeigt einmal mehr, dass die Interessen Einzelner weit über das Allgemeinwohl hinausgehen. Der lachende Dritte ist in diesem Fall der Investor. Gezahlt haben alle anderen. Die Bewohner der Liebig 14 haben kein zu Hause mehr, die Stadt weniger Geld und ausgleichen wird es der Steuerzahler.

  • J
    Jonas

    "Der Vorstand wäre jederzeit in der Lage gewesen, damit Zutritt zu gewähren."

     

    War wohl ein sehr stressiger Tag für den guten Mann. Er scheint nicht mehr ganz bei sich zu sein. Hat der nicht gesehen, dass der Eingang komplett Verbarrikadiert war mit Sperrmüll, Stacheldraht etc.? Oder stand der vor einem anderen Haus?

    Naja auch egal. Jetzt ists ja zum Glück vorbei und in ein paar Tagen haben sich sämtliche Freizeitrevolutionäre in der Stadt auch wieder beruhigt. In einem halben Jahr ist das Haus entkernt. In zwei Jahren wohnen Familien drin und spielen Kinder im Hof.

  • SE
    Schnarl Erduard von K.

    Wie war das noch mal mit dem “Du sollst nicht stehlen“ und dem “Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus“?

    Menschen wolle for free wohnen! Wer will das nicht?!

    Und der Besitzer des Hauses möchte nicht beklaut werden!

    Soweit nichts wirklich Kompliziertes.

     

    Der Kollege Rechtsanwalt hat wohl auf der Baumschule studiert? Wie käme er sonnst auf das schmale Brett, sich proaktiv für Diebstahl einzusetzen.

     

    Ein konstruktiver Ansatz wäre, eine Annonce zu schalten, die die TAZ garantiert for free abdruckt ;-)) ,in dem die “Besatzer“ ganz höflich nachfragen, ob nicht jemand freiwilig Lust hat, drei Etagen, also ca. 400 qm “for free“ zur Verfügugn zu stellen.

  • K
    klaus

    Günstig wohnen in der Innenstadt - im besetzten Haus. Davon träumt jeder Steuerzahler mit normaleinkommen.

    warum Vorrechte für Hausbesetzer?