Radsport-WM: Mark Cavendish gewinnt
Weltmeister Mark Cavendish wird als bester britischer Radsportler aller Zeiten gefeiert. Und das im Jahr vor den Olympischen Spielen in London.
LONDON taz | Obwohl am vorvergangenen Sonntagnachmittag der Holländer Lars Boom zum Sieger der Tour of Britain gekürt wurde, waren die Augen auf jemand anderen gerichtet. Der Star hieß Mark Cavendish, der sich bei der einwöchigen Tour durch Teile von Schottland, Wales und England den letzten Schliff für die Straßen-WM in Kopenhagen verpasst hatte.
Als Topfavorit ging Cavendish in Dänemark an den Start. Viele sehen ihn als besten Fahrer, den Großbritannien je hatte. Mit bisher 20 Etappensiegen bei der Tour de France, sieben beim Giro d'Italia und drei bei der Spanienrundfahrt zählt er zu den erfolgreichsten Fahrern der großen Landesrundfahrten.
Dem Sieger der Tour of Britain hat der 13. des Gesamtklassements also die Show gestohlen. Die Journalisten scharten sich um Cavendish - Boom bliebt im Abseits. Sie haben sich um den zukünftigen Weltmeister versammelt. Am Sonntag setzte sich der 26-Jährige in Kopenhagen im Elite-Straßenrennen nach 266 Kilometern im Massensprint durch. Es war der erste Sieg eines Briten seit Tom Simpson 1965.
Die Tour of Britain war für Cavendish nicht mehr als eine Trainingseinheit. "Ich wollte nicht auf Risiko gehen", sagte er nach der letzten Etappe, die er auf nach Regen noch glattem Boden "ungeplant", wie er hinzufügte, gewonnen hatte.
Dabei war das erst acht Jahre alte Etappenrennen in diesem Jahr mit Abstand am stärksten besetzt. Neben Cavendish fuhren der aktuelle Straßen-Weltmeister Thor Hushovd aus Norwegen sowie der deutsche Jens Voigt und Theo Bos aus Holland mit. Einige seiner schärfsten Konkurrenten im Kampf um den WM-Titel eine Woche danach
Spontaner Start bei der Tour of Britain
Seit 2007 hatte Cavendish nicht mehr am Rennen durch seine Heimat teilgenommen. Damals war er nicht viel mehr als ein vielversprechendes Talent. Zuletzt braucht er die heimischen Straßen kaum noch. Nur einen Teil seines Trainings absolviert der Sprinter in England, wo seine Freundin lebt. Häufiger ist er in Spanien und Italien anzutreffen.
Wohl gerade weil Cavendish in Großbritannien häufig als verlorener Sohn angesehen wird, freuen sich die Briten über jedes Lebenszeichen. Cavendish, der ursprünglich von der kleinen Isle of Man zwischen der westlichen britischen Küste und Irland stammt, hatte eigentlich auch die Teilnahme an der Tour of Britain nicht eingeplant. Der Start kam spontan, nachdem er sich vorzeitig von der wesentlich prestigeträchtigeren Vuelta España zurückgezogen hatte, weil das Wetter zu heiß und das Rennen gefährlich gewesen sei. Sein Team HTC-Highroad machte sofort Platz für seinen Star.
Denn dass die Chancen auf einen WM-Titel für Cavendish in diesem Jahr so gut wie nie zuvor waren, und vielleicht nie wieder sein würden, war bekannt. Das britische Team ging mit zwölf Fahrern ins Straßenrennen, darunter David Millar, Vizeweltmeister des Vorjahres im Einzelzeitfahren, Steve Cummings, Bradley Wiggins und Christopher Froome.
Die letzten beiden standen noch vor zwei Wochen auf dem Podest der Vuelta España. In Kopenhagen fuhr das Team für Cavendish, in dem dessen Trainingspartner und ehemaliger Dopingsünder Millar den "besten Sprinter der Geschichte" sieht. Der flache Streckenverlauf in Kopenhagen kam ihm zupass. Den Massensprint entschied er klar für sich.
"Der größte Gegner ist das Sturzrisiko"
Cavendish hatte schon eine Woche zuvor in London keinen Zweifel an seinen Siegeschancen gelassen. "Meine Form war nie besser, meine Vorbereitung ist perfekt verlaufen. Der größte Gegner dürfte das Sturzrisiko sein." Nur wenige Sportler trauen sich zu solchen Aussagen. Aber sie passen zu ihm, der auf Fragen nach dem besten Sprinter der Welt gern auf sich selbst hindeutet.
Mit seinem WM-Titel machte Cavendish 2011 endgültig zu seinem Jahr. Zum ersten Mal hatte er im Sommer die Punktewertung der Tour de France gewonnen, zudem zwei Etappen des Giro d'Italia.
Die Briten verspüren jetzt nicht nur Freude, sondern auch ein bisschen Hoffnung. Cavendishs aktueller Arbeitgeber HTC-Highroad, eines der stärksten Teams der Geschichte, wird sich mangels Sponsor für die kommende Saison auflösen.
Seit ein paar Monaten kursieren Gerüchte, er könnte bald schon beim britischen Team Sky unterschreiben. Mit Mark Cavendish wäre ein seltener Heimkehrer wieder Teil des Landes. Als seltener britischer Weltmeister könnte er 2012 bei Olympia in London endgültig zu Hause ankommen.
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