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Radschnellweg im RuhrgebietFreie Fahrt für Fahrräder

Auf zwei Rädern am Stau vorbei – so ist die Vision. 60 Kilometer weit soll sich die "Rheinische Bahn" von Duisburg bis Dortmund schlängeln. Das erste Teilstück ist schon fertig.

Autofreie A 40 beim Aktionstag "Still-Leben" in Dortmund. Die geplante Fahrradschnellbahn soll parallel zur A 40 verlaufen. Bild: Achim HeppCC-BY-SA

BERLIN taz | Wer zwischen Duisburg und Dortmund mit dem Auto pendelt, der braucht starke Nerven. Nirgendwo sonst gibt es so viele Staus wie hier. Immer wieder wurde versucht, das Problem zu lösen – doch die Strecke bleibt verstopft.

Nun gibt es ein neues Konzept. Der Regionalverband Ruhr (RVR) will eine 60 Kilometer lange Schnellstraße für Fahrräder bauen lassen. Die sollen dort so schnell vorankommen, dass sich das Autofahren kaum noch lohnt. Der Weg soll ähnlich angelegt sein wie eine Autobahn, ohne Kreuzungen, ohne Ampeln, ohne Hindernisse. Ausschließlich Fahrräder sollen dort fahren dürfen.

Der Radschnellweg soll Duisburg, Mülheim, Essen, Bochum und Dortmund miteinander verbinden und entlang der Autobahn A 40 verlaufen. Das erste Teilstück zwischen Essen und Mülheim ist schon fertig. So etwas gibt es in Deutschland bisher noch nicht. Zwar gibt es in der Region bereits viele Radwege. Die seien aber vor allem für touristische Ziele ausgelegt, sagt Jens Hapke vom RVR. "Die Schnellstraße soll die Stadtkerne miteinander verbinden, so dass sie vor allem für Berufspendler interessant ist."

Wie groß die Nachfrage ist, soll eine Studie zeigen

Der RVR hofft, dass immer mehr Menschen mit dem Fahrrad oder dem auch als "Pedelec" bekannten Elektrofahrad zur Arbeit fahren. "Im Moment legt man im Schnitt vier bis fünf Kilometer mit dem Rad zurück, um zur Arbeit zu kommen", sagt Hapke. "Mit dem Pedelec könnten es auch bequem 15 Kilometer oder mehr sein." Ob die Nachfrage tatsächlich so groß ist, soll eine Studie zeigen, die der RVR in Auftrag geben will.

Über die Kosten der Strecke machte der Verband keine Angaben, zehn Jahre würde der Ausbau dauern, weil Grundstücke erworben und Brücken ausgebaut werden müssten. Gute Erfahrungen mit Radschnellwegen hat man bereits in den Niederlanden. Dort gibt es 4 "Fietssnelwege", 19 weitere sind geplant. "Darauf kommt man ungewöhnlich schnell voran", sagt Roland Huhn, der Leiter Verkehr des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC). Auf Radschnellwegen kann man laut Huhn mit dem Pedelec im Schnitt 25 Kilometer pro Stunde fahren.

Mit dem Elektrofahrrad am Stau vorbei

Zum Vergleich: Stauforscher haben errechnet, dass man mit dem Auto im Ruhrgebiet im Schnitt etwas mehr als 30 Kilometer pro Stunde fährt. Huhn ist überzeugt, dass Elektrofahrräder immer beliebter werden. Jahr für Jahr steigen die Verkaufszahlen. "Für 2011 erwarten wir 300.000 verkaufte Pedelecs", sagt Huhn. Die Schnellwege seien ideal für Elektrofahrräder geeignet. In den Niederlanden sind sie vier Meter breit, im Ruhrgebiet sind sogar fünf Meter geplant, auch beleuchtet werden soll der Weg.

Ob es aber in den nächsten Jahren tatsächlich zu einem Boom auf den Radwegen kommt, ist fraglich. Laut ADFC nutzen vier Millionen Deutsche ihr Fahrrad für den Arbeitsweg, Teilstrecken inbegriffen. Seit Jahren stagniert der Anteil Fahrrad fahrender Berufspendler. 10 Prozent aller Wege werden laut ADFC in Deutschland mit dem Rad zurückgelegt, vor zehn Jahren seien es noch 9 Prozent gewesen. In den Niederlanden sind es 27 Prozent.

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10 Kommentare

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  • M
    MAD

    "Laut ADFC nutzen vier Millionen Deutsche ihr Fahrrad für den Arbeitsweg, Teilstrecken inbegriffen. Seit Jahren stagniert der Anteil Fahrrad fahrender Berufspendler. 10 Prozent aller Wege werden laut ADFC in Deutschland mit dem Rad zurückgelegt, vor zehn Jahren seien es noch 9 Prozent gewesen."

     

    Ja, einen Rückgang der Radpendlerzahlen haben ADAC, Ramsauer und Co. trotz aller Bemühungen nicht erreichen können. Da wird dann ein Zuwachs zur Not als Stagnation "gefeiert".

     

    Wenn tatsächlich mal brauchbare Fahrrad-Verkehrplanung verwirklicht wird werden wir ja sehen ob der KFZ-Verkehr hier im Ruhrgebiet nur stagniert.

     

    Mommentan glauben ja viele dass man in den Städten gar nicht Radfahren kann weil es wegen der Autos viel zu gefährlich ist.

  • SS
    Swen Sobeck

    Dieser Radweg wäre für mich ein Traum. Momentan lege ich drei mal die Woche von Duisburg nach Essen zwischen 26 und 30 Kilometer mit dem Rad zurück. Im Vergleich zum Auto brauche ich ca 20 Minuten länger dafür. Mit dem öffentlichen Nahverkehr bin ich ein paar Minuten länger als mit dem Rad unterwegs. Auf dem fertigen Weg würde ich vermutlich noch mal 15 Minuten Fahrzeit sparen können. Das wäre schon schön. Allerdings zeigt sich jetzt schon auf dem kleinen, fertigen Teilstück, was in Zukunft als Konfliktpotential zu lösen ist. Das kleine Stück ist nämlich schon jetzt Spielplatz für tollende und unangeleinte Hunde, die mir das eine oder andere mal beinahe in die Speichen geraten sind. Fußgänger benutzen auch gerne die ganze breite des Radweges. Außerdem ist es auch eine attraktive Abkürzung für Motorräder und Mofas. Und leider ist das Dingens ja erst in 10 Jahren fertig. Schade! Gut ist es aber das die A40 und damit die stehende Stinker weit genug weg sind.

  • HL
    Hugo Lamotte

    Das ist eine erstklassige und längst überfällige Handlung! Deutschland braucht viel mehr Radwege, die für den täglichen Pendelverkehr geeignet sind. Nicht zuletzt im Hinblick auf den Atomausstieg, der ja zunächst zu einem Mehrbedarf an fossilen Energieträgern führen wird.

     

    Fahrradtaugliche Verkehrswege in und zwischen Städten müssen viel mehr gebaut bzw. fahrradtauglich ausgebaut werden. Auch bei diesem Aspekt muss man nur ein wenig nach den Niederlanden schauen (oder nach Münster). Dort haben Verkehrsplaner verstanden: ein Radweg hat andere Anforderungen als ein Gehweg. Also Schluss mit der Zusammenlegung beider Wege! Ein Radweg muss geteert sein und neben dem Kfz-Verkehrsstreifen liegen. Das vermindert erwiesenermaßen die Unfallzahlen zwischen Fahrrad und Kfz. Es kann nicht sein, dass der Kfz-Verkehr mit grünen Wellen durch die Stadt geschleust wird, während der nichtmotorisierte Verkehr an jeder Ampel anhalten muss. Das ist für potentielle Fahrrad-Pendler einfach nicht attraktiv. Daher: gleiche Ampelschaltung für Fahrrad und Kfz.

     

    Also, Daumen hoch für den Ruhrradschnellweg (eine Benennung, die viel besser passt als "Rheinische Bahn") als Initialzündung für eine moderne Verkehrspolitik in Deutschland!

  • R
    Radfahrer.Ruhr

    Hallo,

    ich sehe als aktiver Radpendler im ruhrgebiet (ca 15 km/Weg) diese Meldung mit einem lachenden und einen weinenden Auge. Lachend, weil endlich mal was für den städteübergreifenden Radverkehr getan, und weinend, weil gleichzeitig wieder eine Eisenbahntrasse im Ruhrgebiet geopfert wird! Wie soll eigentlich mehr "Verkehr auf die Schiene" funktionieren, wenn der Bahnverkehr immer mehr zurückgebaut wird? Was nützt der schönste Radschnellweg im Revier, wenn es in den Städten nicht funktionierende Radverkehrsnetze gibt, die nicht ohne Gesundheitsgefahren befahren werden können? Fragen über Fragen, aber immerhin ist ein Anfang gemachtt.

     

    Viele Grüße

    Radfahrer.Ruhr

  • R
    Radfahrer.Ruhr

    Hallo,

    bei mir als aktiven Radpendler (tgl. 15 km pro Weg) im Ruhrgebiet bleibt bei dieser Meldung ein zwiespältiges Gefühl über. Warum? Die Realisierung dauert einfach zu lange und kommt Jahre zu spät. Gleichzeitig ist das Bus- und Bahnangebot verglichen mit anderen Regionen immer noch in einem erbärmlichen Zustand, besonders wenn ein Blick auf die Fahrpläne in den Abendstunden und am Wochenende geworfen wird. Der Zustand der Radwege in den einzelnen Städte ist auch nicht viel besser! Was nützt der Ausbau einer schnellen Achse durch das Revier, wenn es in den verschiedenen Städten nicht weitergeht? Ein Rätsel bleibt auch, wie der Verkehr auf der Schiene gesteigert werden soll, wenn die einzige freie Trasse im Ruhrgebiet (hier die Rheinische Bahn) gerade zum Radweg umgebaut werden soll, ich verstehe es nicht ...

     

    Viele Grüße

    Radfahrer.Ruhr

  • HS
    Hans Streck

    Die erste "Radbahn" zeigt wie eng das Ruhrgebiet sich an das System der Autobahn gewöhnt hat. Rad lässt sich viel besser direkt durch die Städte leiten, statt an ihnen vorbei oder über sie hinweg. Dem Pott das Umsteigen auf ÖPNV oder Rad schmackhaft zu machen, geht meines Erachtens aber nur, wenn man die Region endlich als 1 begreift und langfristigen Plänen endlich versucht die Zersiedlung zu stoppen. Das Ruhrgebiet verliert Einwohner und muss deshalb schrumpfen wenn es nicht an immensen Infrastrukturkosten zu Grunde gehen möchte. Gerade aus diesem Grund müssen die Zentren und Innenstädte gestärkt werden. Zu Aldi muss man zu Fuss gehen können!

  • MP
    martin p.

    Naja,

    gerade parallel zur B1 - das macht Sinn.

    Dann können die Radfahrer den Feinstaub der Autos nebenan weg-Atmen und man hat dieses Problem schon einmal gelöst ;-)

     

    Im Ernst:

    Ich würde doch eher versuchen, z. B. alte Industrie-Gleise zu reaktivieren: Da gibt es schon teilweise Brücken, und sie laufen manchmal durch Gebiete mit besserer Luft, als in der direkten Nachbarschaft der B1/A40...

  • HS
    Horst Scharnhorst

    In den vergangenen Jahren bin ich dazu übergegangen, vom Auto auf das Fahrrad umzusteigen. In Hamburg braucht man dazu allerdings viel Mut. Ein für Fahrräder geeignetes Verkehrswegenetz existiert praktisch nicht. Würde es existieren - da bin ich mir sicher - würden viel mehr Menschen auf das in jeder Hinsicht sinnvolle Rad umsteigen: man bleibt fit und hat keine Parkplatzprobleme. Fahrrad fahren in Hamburg ist maximal unsicher!!

  • F
    Fussgänger

    Ich gehe nur zu Fuss und empfinde Fahrradfahrern nichts als Verachtung gegenüber.

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Der deutsche Michel kann ruhig auf sein Auto verzichten.

     

    Ich fahre auch nur mit dem Fahrrad und empfinde Autofahrern gegenüber nichts als Verachtung.