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Radioaktives C-14 aus Reaktor entwichenNur ein bisschen Strahlung

Aus dem Forschungsreaktor München II in Garching ist radioaktives C-14 ausgetreten. Grüne und Umweltschützer fordern Konsequenzen.

Über dem Grenzwert: Forschungsreaktor München II Foto: Peter Kneffel/dpa

Garchig dpa | Am Forschungsreaktor FRM II hat es einen Zwischenfall gegeben. Obwohl der Reaktor in der Corona-Krise stillsteht, ist radioaktives C-14 ausgetreten. Der Jahresgrenzwert des radioaktiven Nuklids sei überschritten worden, teilte die Technische Universität München als Betreiberin mit.

Für Menschen und Umwelt habe jedoch zu keiner Zeit Gefahr bestanden, betonten die Betreiber sowie das bayerische Umweltministerium als atomrechtliche Aufsichtsbehörde. Es sei eine „geringfügige Überschreitung“ des in der Betriebsgenehmigung festgelegten Wertes bei der C-14-Ableitung über den Kamin in die Atmosphäre festgestellt worden, hieß es. Schon 2012 hatte es einen ähnlichen Vorfall mit niedrigeren Werten gegeben.

Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur teilte FRM-II-Sprecherin Anke Görg mit, der Jahresgrenzwert sei um rund 15 Prozent überschritten worden. Eine Auswertung am Donnerstag habe den Wert ergeben. Grund war den Angaben zufolge ein „individueller Fehler“ bei der Montage einer Trocknungseinrichtung.

Nach dem Austritt von C-14 im Jahr 2012 war das Verfahren laut Betreibern verbessert worden. Bei einer Ausschöpfung des Grenzwertes liege die theoretische Belastung der Bevölkerung bei maximal 3 Mikrosievert, so Görg. Das sei weniger als der Wert, dem ein Patient bei einer Röntgenaufnahme beim Zahnarzt ausgesetzt sei.

Konsequenzen gefordert

Wegen der Corona-Beschränkungen steht der Reaktor seit 17. März still. Über mögliche Auswirkungen des Vorfalls für den weiteren Betrieb müsse das Umweltministerium in Bayern entscheiden, hieß es. Dieses teilte mit, es habe einen Bericht zum Ereignis, dessen Ursachen und Abstellung angefordert. Der Reaktor werde nur mit Zustimmung des Ministeriums wieder anfahren.

Die Emissionen fanden den Angaben nach vom 20. bis 26. März sowie vom 2. bis 7. April statt. Im April sei der erhöhte Wert aus dem ersten Quartal bei der routinemäßigen Überprüfung durch das Bundesamt für Strahlenschutz und das eigene Labor des FRM II aufgefallen. Der Wert habe noch unter dem in der Betriebsgenehmigung festgelegten Grenzwert gelegen, dennoch sei auf eine monatliche Auswertung umgestellt worden. Am Donnerstag habe die Gesamtauswertung dann den überhöhten Wert erbracht.

C-14 wird etwa in der Archäologie zur Altersbestimmung organischer Materialien benutzt wird und hat laut Görg eine Halbwertzeit von 5730 Jahren. Am FRM II entsteht es in Form von Kohlendioxid bei einer Kernreaktion im Reaktorbecken, das auch beim Stillstand des Reaktors gefüllt ist. Der Vorfall geschah bei der routinemäßigen Reinigung des sogenannten Schweren Wassers. Nach der Überschreitung der Werte seien alle Trocknungsvorgänge unverzüglich eingestellt worden.

Grüne und Umweltschützer forderten Konsequenzen aus dem Vorfall. „Mit Überschreitung des Jahresgrenzwerts für den C-14-Ausstoß darf der Reaktor in diesem Jahr nicht mehr angefahren werden“, sagte der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Ludwig Hartmann. „Wir müssen jetzt eine grundlegende Debatte über den Forschungsreaktor führen.“

Auch der Vorsitzende des Bundes Naturschutz in Bayern, Richard Mergner, äußerte sich „sehr besorgt“ und forderte eine Stilllegung. Ohnehin ist der FRM II wegen des hochangereichertem Uran umstritten. Atomgegner und Grüne forderten deshalb seine Abschaltung, sie sprechen von waffenfähigem Material.

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3 Kommentare

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  • "Bei einer Ausschöpfung des Grenzwertes liege die theoretische Belastung der Bevölkerung bei maximal 3 Mikrosievert, so Görg. Das sei weniger als der Wert, dem ein Patient bei einer Röntgenaufnahme beim Zahnarzt ausgesetzt sei."

    Nun klar, schön ist es nicht, dass man dort offenbar technische Probleme hat, aber um nochmal mit anderen Worten zu erklären was 3 Mikrosievert (μSv) bedeuten:



    In Deutschland liegt in fast allen Regionen die ganz natürliche Strahlendosis zwischen ca. 0,1 und 0,15 Mikrosievert pro Stunde (μSv/h), also im Schnitt bei 3 μSv pro Tag. Wenn ein Jahr nun ein Schaltjahr ist und 366 statt 365 Tage hat, könnte man also annehmen die in München ausgetretene zusätzliche Strahlungsmenge ist die, die man auch an einem 29. Februar erhält.



    Ich denke das Risiko ist also überschaubar...

  • "Atomgegner und Grüne forderten deshalb seine Abschaltung, sie sprechen von waffenfähigem Material."

    man könnte den eindruck haben dass das eine schon fast rituell wiederholte reinszenierung eines durch lange gewohnheit erworbenen antinuklearen reflexes ist hinter dem das rational immer weniger begründete grundsätzliche dass heisst ideologisierte nein der grünen zur atomenergie steht,dass sich seiner selbst vergewissern will

    das tatsächliche risiko für die bevölkerung war minimal







    "Bei einer Ausschöpfung des Grenzwertes liege die theoretische Belastung der Bevölkerung bei maximal 3 Mikrosievert, so Görg. Das sei weniger als der Wert, dem ein Patient bei einer Röntgenaufnahme beim Zahnarzt ausgesetzt sei."

    die grünen leisten sich in anbetracht eines möglicherweise gefährlichen klimawandels und in anbetracht dessen dass weiter neue kohlekraftwerke gebaut werden den luxus an ihrem aus der zeit der gründung der partei stammenden antinuklearen konsens festzuhalten

    ihrem ursprünglichen pazifismus sind die grünen untreu geworden, was aus ihrem bekenntnis zu sozialer gerechtigkeit geworden ist zeigt nichts mehr als dass sie bei den hartz-gesetzen dabei waren.von dem anspruch die bürgerliche demokratie durc h etwas weniger undemokratisches und manipulationsanfälliges zu überwinden haben sie sich auch verabschiedet.aber noch immer verteufeln sie die nukleare technologie.

    das ist möglicherweise ein schwerer fehler.

    in finnland sieht man die atomenergie anders

    ttps:www.youtube.com/watch?v=sWj6XQrXRpo

  • 375 kg, das ist weit mehr, als ich dachte. Da sollte man schon darauf achten, dass keiner meiner arabischen Freunde aus meiner Düsseldorfer Studienzeit Zutritt erhält, aus deren Reihen eindeutiges Interesse bekundet wurde. Also, bitte wachsam bleiben!

    C14 wird zwar in unserem Körper eingebaut, wenn es in nicht oxydierter Form, also CO2 vorliegt, was hier aber vermutlich der Fall ist. Ungefährlich.



    In der Zeit des Betriebs des Reaktors ist durch den Weiterbetrieb unserer Kohlekraftwerke sehr viel CO2 angefallen, dass diese überaus geringe Radioaktivitätsmenge verdünnt.Ein sehr schwacher Trost. Nein, da ist es sinnlos, Ängste aufzubauen. Viel mehr beunruhigt mich, dass die in unseren Handelsketten Sauerkirschen aus Ungarn angeboten werden, von denen ich nicht weiß, ob sie belastet sind. Ungarn liegt gleich neben der Ukraine,allerdings 900km von Cernobyl entfernt. Die Gesundheitsämter haben das Lebensmittelmonitoring weitgehend eingestellt. Früher konnte man die jeweilige Belastung einfach nachlesen.



    Für den nächsten Fall einer "kleinen Havarie" (Breschnjew) halte ich meine persönliche Messeinrichtung bereit. Die ist so empfindlich, dass ich neben der Radioaktivität von Lebensmittelproben immer noch die von unseren (Ältere) Lungen aufgenommene Radioaktivität aus den längst verbotenen Kernwaffenversuchen nachweisen kann. Allerdings nicht das gefährliche Plutonium, das immer noch für viele Lungenkrebsfälle sorgt.



    Also, seid bitte weiterhin wachsam, aber in diesem Fall besteht nun wirklich keine Gefahr. 4 Microsievert, die jährlich natürlich aufgenommene Strahlungsmenge liegt bei 2 Millisievert, also dem rund 500 fachen. Tödlich wird eine Strahlungsmenge über 1 Sievert, durchschnittlich 6 Sievert.



    Aber beruhigend, dass man so gut aufgepasst hat und die Messung nicht unter den Tisch fallen gelassen hat. Das kommt nämlich gar nicht so selten vor.