: Radio Bremen 4 schafft die CD ab
■ Erstmals leistet sich ein Sender in Deutschland eine voll digitalisierte Hörfunkwelle ganz ohne Tonträger: Jetzt sorgt rundherum der Computer für die Musik
Ein winziger Kellerraum, darin ein paar vernetzte Computer: Das ist fortan das ganze Archiv von Radio Bremen 4, und niemand wird es mehr betreten, es sei denn um mal ein Festplattenlaufwerk zu schmieren. Musik im Gegenwert von insgesamt 25 Gigabyte kann auf diesen Laufwerken gespeichert werden, 3.500 Titel liegen bereits in elektronischer Daseinsweise vor.
Damit ist Radio Bremen bundesweit der erste Sender, der ein ganzes Hörfunkprogramm komplett digitalisiert hat. Es gibt bald weder CDs noch Platten noch Bänder mehr. nur noch Audio-Dateien in irgendwelchen Computer-Massenspeichern. „Das hat sich bislang keiner getraut“, sagt Wolfgang Hagen, der Chef von RB 4, der maßgeblich an der Entwicklung des Systems beteiligt war. Warum aber traute sich der Heimatsender? „Wir hatten es einfach satt“, sagt Hagen, „jeden Tag mit 150 CDs von A nach B zu rennen.“
Nun hat man also der Herumschlepperei ein Ende gemacht und gleich auch noch dem hundertmaligen Drücken aller erdenklichen Knöpfe im Studio: Wer immer ab dato eine Sendung vorbereitet oder moderiert, hat von seinem PC-Platz aus jederzeit Zugriff auf alles, was jemals im digitalen Archiv gespeichert worden ist, Wortbeiträge, Jingles, Werbeclips inklusive.
Die Geschwindigkeit, mit der das Archiv reagiert, ist enorm: Hörerwünsche nach bestimmten Musiktiteln können nun zum Beispiel binnen Sekunden erfüllt werden. Der ganze Reichtum des Senders ist quasi live verfügbar, und zwar mittels eines einzigen Gerätes, welches den früher üblichen Maschinenpark gänzlich ersetzt.
Spezielle Software sorgt dafür, daß die Mitarbeiter auf komfortable Weise mit den Ressourcen des Senders umgehen können. Sie haben von jedem PC des Netzes aus die Möglichkeit, Beiträge zu bearbeiten, Musiklisten zu erstellen, jeden gewünschten Titel sofort zu hören und am Sendeplan zu basteln. Im Prinzip ist es schon möglich, ganze Sendesequenzen, beispielsweise Folgen von Jingles, Verkehrsdurchsagen und Werbeeinlagen zu automatisieren und dem Computer zu überlassen.
Die Effektivierung des Betriebs soll vorerst keine Arbeitsplätze kosten, wie der Hörfunkdirektor Hermann Vinke versichert. Man wolle erst einmal, sagt er, dem überlasteten Personal ein wenig Luft verschaffen. Insbesondere die Moderatoren in ihren Selbstfahrerstudios könnten sich nun ihren eigentlichen, den journalistischen Aufgaben besser widmen.
Wenn sich die neue Technik beiBremen 4 bewährt, sollen nach und nach im Lauf der nächsten vier, fünf Jahre auch die anderen Hörfunkprogramme digitalisiert werden. schak
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen