Radikale Linke in den USA: „Besetzt Boeing und baut Busse!“
Kshama Sawant ist Mitglied der Socialist Alternative Party, einer trotzkistischen Partei. Sie ist gerade in den Stadtrat von Seattle gewählt worden.
Kshama Sawant wurde 1973 in Indien geboren, sie ist Feministin, Umweltschützerin und Antimilitaristin, sie lobt die Gesundheitsversorgung in Kuba, und sie will den Kapitalismus überwinden. Bislang waren das Handicaps für politische Karrieren in den USA.
Doch die 40-Jährige hat in dieser Woche, als die Auszählung der letzten Briefwahlstimmen abgeschlossen war, ihre Wahl zur Stadträtin in Seattle gefeiert. Sie ist die erste Sozialistin, die es nach mehreren Jahrzehnten in den Rat einer US-amerikanischen Großstadt schafft.
Seattle, wo Boeing, Amazon, Microsoft und Starbucks ihre Firmensitze haben, ist wie die meisten US-amerikanischen Großstädte fest in der Hand der Demokratischen Partei. Im Wahlkampf trat Kshama Sawant gegen einen Demokraten an, der vier Amtszeiten hinter sich hatte.
Sie warb mit konkreten Forderungen: verlangte einen Mindeststundenlohn von 15 Dollar, Mietpreisbindung, den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, Steuererhöhungen für SpitzenverdienerInnen und das Recht auf gewerkschaftliche Vertretung in den großen Konzernen.
"Das ist wirtschaftlicher Terrorismus"
Zu der Drohung des größten Arbeitgebers der Region, Boeing, in einen gewerkschaftsfreien Niedriglohnstaat im Süden der USA umzuziehen, wenn die Beschäftigten die neuen und schlechteren Verträge nicht akzeptieren, sagt sie: „Das ist wirtschaftlicher Terrorismus.“ Und rät den Beschäftigten, notfalls das Werk zu besetzen und Busse statt Drohnen zu bauen.
Die meisten Gewerkschaften und die üblichen SponsorInnen haben die Demokratische Partei unterstützt. Doch in der am Pazifik gelegenen Stadt sind die Dinge in Bewegung geraten. Die Occupy-Bewegung war dort stark. Bei einem Referendum siegt die Zustimmung zur Anhebung des Mindestlohns. Und in mehreren Arbeitskonflikten drohen Beschäftigte mit Streiks, um Krankenversicherungen und andere Rechte zu erhalten.
Dabei sind Wörter, die in den USA als Schimpfworte benutzt worden, wieder salonfähig geworden. Kshama Sawant gehört zu der kleinen SAP (Socialist Alternative Party), die mit einer britischen trotzkistischen Gruppe zusammenarbeitet.
Sie ist im indischen Mumbai aufgewachsen und Computeringenieurin geworden. Doch den Sozialismus hat sie nicht aus dem Ausland mitgebracht, sondern erst in den USA entdeckt. Dort wechselte sie auch den Beruf. Heute lehrt sie Wirtschaftswissenschaften an Hochschulen in Seattle.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott