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Radek Krolczyk Kunst am WegesrandOffen im Raum und im Denken

Gleich gegenüber dem Museum Weserburg auf der Neustadtseite der Brill-Brücke steht Sol LeWitts Plastik „Three Triangels“ – intelligent, erhaben und emblematisch zu gleich. Der US-amerikanische Künstler hatte sie anlässlich seiner Ausstellung dem neugegründeten Museum geschenkt, sein Freundeskreis finanzierte die Aufstellung des weiß gestrichenen Ziegelbaus. Sol LeWitts Plastik steht auf einer etwas breiteren Fläche der Brücke, sie ragt in den darunter fließenden Fluss und in die Ferne. Sie gehört zu den meistfotografierten Bauten der Stadt, gerade als Symbolbild werden ihre Aufnahmen oft verwendet.

Die „Three Triangels“ werden auf diese Weise zu einem Emblem für den Ort, einem Wahrzeichen, einer abstrakten Freiheitsstatue. Denn ganz anders als die erdigen, mythischen Ziegelbauten Bernhard Hoetgers in der Böttcherstraße, steht Sol LeWitts Skulptur in seiner ganzen Art für Offenheit im städtischen Raum, aber auch im Denken überhaupt. Sol LeWitt gehörte zu den wichtigsten Vertretern der amerikanischen Minimal Art, einer bis heute einflussreichen Bewegung, die Figuration weitestgehend ablehnte und sich stattdessen abstrakter Mittel bediente. Die „Triangels“ beziehen sich einerseits auf die Giebeldächer der Weserburg und der gegenüberliegenden Schlachte, andererseits sind sie für sich eine berechnete Konstruktion, ein geometrisch klarer Aufbau aus Ziegeln als ein Normalmaß. Die im Titel behaupteten drei Dreiecke könnte man auch als ein ganzes und zwei halbe begreifen: ein volles in der Mitte, zwei angeschnittene zu den Seiten hin. Die Offenheit von Sol LeWitts Plastik hat genau mit solchen Konstruktionsspielen zu tun. Die endlose Fortsetzung der weißen Kunstgiebel ist denkbar, weil ihre Reihung zu den Seiten hin durch den Anschnitt offen ist. Das ist ein Grundprinzip der Plastiken, aber auch der Zeichnungen Sol LeWitts: Durch Berechnung und Konstruktion breiten sich standardisierte Grundelemente aus und finden qua eigener Logik zu ihrer Gestalt.

Die Minimal Art ist eine der zentralen Richtungen der Nachkriegskunst, sie gehört seit der Gründung des Museums zentral zu seinem Programm. Um die Weserburg herum gibt es weitere abstrakte Werke. Kritik am Museum kam von den Betreibern der aus Plagiatsbauten bestehenden Wohnsiedlung auf dem Teerhof. Diese haben dem Museum vor Jahren schon untersagt, selbst ihre Kunsttransporte über das privatisierte Gelände der Teerhofinsel kommen zu lassen. Welches Kunstverständnis hier hinter steckt, sieht man an den miesen Figuren, die sie zur Verschönerung ihrer knast­artigen Wohnanlage angekauft haben, etwa einer unentschieden im Infinito steckenden, nur halb aus dem Stein herausgehauenen Familie von Ernst Gorsemann. Wie weit der Einfluss der Minimal Art eines Sol LeWitt durch die Präsenz, die ihr die Weserburg beschert, heute noch geht, sieht man an der aktuellen Meisterschülerausstellung: Dort versucht der Bildhauer David Hepp mit den wenigen Mitteln farbiger Unterlegscheiben das schief in die Weser hängende Museum auszugleichen.

Der Autor ist Betreiber der Galerie K’

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