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RIECHERINNERUNGEN

 ■  Die Iden des März - ein Riecherlebnis

Die Iden des März, da verbrenne ich im Garten altes Laub, ums Haus alles Gestrüpp vom Vorjahr und dieses Jahr dazu Orkanüberreste - abgebrochene Äste - und so weiter.

Warum Feuerchen machen im Vorfrühling? „Tiefste Schichten“ wirken da mit, unser Unbewußtes spielt mit uns, das kann man sich nicht vorstellen. Das kann man sich nur unterstellen.

Aber, entschuldigt mal: Es riecht so gut - jedes meiner Feuerchen rökt anders, würzig. Das mit den alten Tannenreisern zum Beispiel räuchert sehr ähnlich wie ein anderes Harz - beschwingt will ich Basilikum in eine Anzuchtschale setzen, da kommt Didie und fragt scheinheilig: Warum hast du denn den alten Misthaufen in Brand gesetzt? Hab ich das? Wollte nur ein Bretterhäufchen nebendran mit Stroh von der Spitze des Mistbergs anzünden. Hatte zu meiner Verteidigung gedacht - und wenn der ganze trockene obere Mist verbrennt - Strohfeuerchen - schließlich heizen sie in Afrika und Asien mit Kuhfladen! Unten die dicken nassen Placken können nicht brennen.

Jetzt aber schwelt die ganze Ostfront, und es stinkt. Übelst. Brenzlig. Altbacken. Wir halten den Schlauch drauf, woraufhin es noch ärger stinkt, und decken das glimmende Biogas mit Erde ab. Viel Erde. Didie weiß, das kann tagelang weiterqualmen, also nachkontrollieren.

Abends ist alles ruhig. Kein Rauch mehr. Nachts erwache ich, weil Didies Hände - oder/und Atemluft? - nach k/alter Zigarre muffen. Kann das denn von dem einen Lungentorpedo kommen, den jedeR von uns gestern gequalmt hat? Ist Didie etwa nachts aufgewesen, ohne daß ich es gemerkt habe, und hat noch so eine frz. Arbeiterzigarette „Gout Maryland“ durchgezogen? Sind es die Kartoffelpuffer vom Abend, die diesen alarmierend ranzig/fettigen Gestank verursachen?

Dann packt Nasenbär, dem nichts männliches fremd ist, im Morgengrauen helles Entsetzen: Dieser Lufzug, von dem man Nasenbluten kriegt, er kommt durch das offene Schlafzimmerfenster herein. Es kann nur der Dunghaufen sein, der wieder angefangen zu schwefeln: „Bluat...!“ - Ludwig dem Bayern, ihm allein würde jetzt der passende Fluch einfallen. Ich fahre in die Klamotten, will meinen Mist allein löschen.

Tatsache: Es raucht wieder, es stinkt der Nebel um und über dem dämmerigen Dunghügel. Frühsport mit Schaufel, Grabforke, Wasserschlauch, bis halb sieben. Wie tausend Zigarrenstümpfe in 300 Kneipenaschenbechern riecht's; ob da im alten Mist auch Nikotin, Havanna gar, ist? Davidoff fragen. Oder Fidel C. Morgen wollen wir weg vom Land - wenn nun, ohne Nasenbärs Warnorgan, das ganze Anwesen abschwelt? Ich krieg den Gestank - wie drei Tage abwechselnd Imbißstube und Berliner Eckkneipe - gar nicht mehr aus der Nase. Als ich merke, daß er Jacke und Hemd durchtränkt hat, entringt sich mir - ich bereite den ersten Morgentee - der innere Schrei:

Frische Wäsche!

Ein Hemd aus dicker Baumwolle übergezogen, reicht nicht. Ich muß noch Kölnisch Wasser verspritzen.

Eine archaische Erfahrung.

PS, 1 Tag später: der Uraltgestank wabert noch ab und zu, nicht gerade gerade frisch und rein geht die Luft - aber die ganze Scheiße ist kalt geblieben.

Nasenbär

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