piwik no script img

RECHTSPOPULISMUS IST NICHT DURCH VOLLBESCHÄFTIGUNG ZU VERHINDERNFalsche Versprechen

Der Mord an Pim Fortuyn schockt Europa. Aber es ist nicht nur der gewaltsame Tod eines Politikers, der verstört. Es bebt ein anderer Schock nach: Fortuyn war ein Phänomen – ein rassistischer Rechtspopulist, der in den Niederlanden in wenigen Monaten ungewöhnlich populär geworden ist. Ausgerechnet in einem Land, das reich ist. Die Menschen haben Arbeit, der Finanzminister einen Haushaltsüberschuss. Wenn Rassismus in den Niederlanden denkbar ist, dann ist er es überall.

Beispiele gibt es genug: Ob Norwegen, Dänemark oder die Schweiz – diese besonders reichen Länder erleben einen neuen Rechtspopulismus. Ausgerechnet Vollbeschäftigung und Reichtum scheinen zu radikalisieren. Das hatte man sich einst anders gedacht. Rechtspopulismus galt bisher als attraktiv für die ungebildeten Ausgegrenzten. Allerdings passte schon immer nicht so ganz ins Bild, was etwa aus den Niederlanden zu hören war: dass sich auch das anständige Bürgertum für den rechten Hass auf Muslime begeistern konnte.

„Wohlstand für alle“ – diese Maxime schien bisher die europäischen Demokratien am besten abzusichern. Könnte es sein, dass das nicht mehr gilt? In den Niederlanden zeigte sich jedenfalls: Vollbeschäftigung und Reichtum sind eben nicht das Gleiche wie „Wohlstand für alle“. Im Gegenteil. Die Vollbeschäftigung wurde dort nur möglich durch einen breiten Niedriglohnsektor und Lohnverzicht. Das paradoxe Ergebnis: Trotz Arbeit hat sich das soziale Gefälle verschärft. Wenn Demokratien ihr Gleichheitsversprechen nicht mehr einhalten, dann werden undemokratische Alternativen und Rassismus attraktiv.

Diese Erfahrung wird in Deutschland ignoriert. Hier verlangen CDU, FDP und selbst Grüne einen Niedriglohnsektor, denn Vollbeschäftigung gilt als oberstes Ziel, die Idee der sozialen Gleichheit hingegen als lästiges Hindernis auf dem Weg ins Arbeitsparadies. Mit dieser Politik wird letztlich das Gefälle zwischen Arm und Reich vergrößert, die Angst vor dem sozialen Abstieg bis weit ins Bürgertum geschürt – und der Weg für einen Rechtspopulisten wie Fortuyn asphaltiert. ULRIKE HERRMANN

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen