RBB-Doku „Stunde der Populisten“: Völkische Berliner
Die Doku „Die Stunde der Populisten“ zeigt, wie die AfD im Jahr der Bundestagswahl ihren Machtplan vorantreibt. Es sieht düster aus.
„Vielfalt ist unsere Stärke“, twittert dieser Trump-Tage Kanadas Premier Justin Trudeau. Und wenn diesen bedeutenden Worten auch recht unbedeutende Zahlen bei der tatsächlichen Aufnahme von Flüchtlingen entsprechen, so handelt es sich doch um ein starkes Statement.
Wenn die Neuköllner Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) in der RBB-Dokumentation „Die Stunde der Populisten – Die AfD greift nach der Macht“ ihren Politansatz beschreibt, dann klingt das weniger selbstbewusst: „Die Menschen sind hier, und wir haben dafür zu sorgen, dass diese Stadt gut funktioniert und wir den sozialen Frieden bewahren.“
Dass Franziska Giffey sich nicht mit einem gut Berlinischen „Und das ist auch gut so“ offensiv zur Lebensrealität in ihrem Bezirk bekennt, ist bedauerlich, gerade wenn der Berliner AfD-Abgeordnete Andreas Wild im Film ihre Mitbürger auf dem „schlimmsten Pflaster“ Berlins „sogenannte Flüchtlinge“ „Zigeuner“ und „Orientalen“ nennt.
Wild ist eine zentrale Figur des Films. Der stellvertretende Vorsitzende des mitgliederstärksten Berliner AfD-Bezirks Steglitz-Zehlendorf kandidiert für das Bundestagsdirektmandat in Neukölln. Wenn er zusammen mit einer Anti-AfD-Aktivistin ein Flüchtlingsheim besucht, dann drängelt er sich rabiat vor, am Neuköllner Hermannplatz bestellt er Currywurst mit Pommes, räsoniert über mögliche Probleme beim Schweinfleischverkauf und bekommt als Antwort die Frage, ob er ein Brötchen zur Wurst möchte.
Verfassungsschutz wird nicht helfen
Wenn Wild von „Umvolkung“ spricht, versucht sich die AfD gern von ihm zu distanzieren, in der Presse gilt er als Vertreter des völkischen Parteiflügels. Dass der „Pass alleine“ noch keinen Deutschen mache, sagte aber etwa auch Marc Jongen, „der philosophische Kopf der AfD“ (Die Zeit) und stellvertretende Landesvorsitzender in Baden-Württemberg.
Doku „Die Stunde der Populisten“, 31. Januar, RBB, 21 Uhr.
Wer sich fragt, wer denn wie sonst einen deutschen Staatsbürger definiere, wird in der RBB-Doku, die sich sichtlich bemüht, nicht mit ausgestrecktem Zeigefinger zu agieren, Antworten finden: Nicht die Völkischen sind in der AfD in der Minderheit, sondern die Partei richtet sich in ihrem Kern gegen ein rechtsstaatliches Verständnis von Staatsbürgerschaft. Unter anderen Umständen müsste man die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz fordern. Aber um mit der Autorin Mely Kiyak zu sprechen: „Es bringt einfach nichts. Denn da, wo Licht ins Dunkel gebracht werden soll – was doch zur Hauptaufgabe einer Sicherheitsbehörde zählt –, bleibt es in Deutschland bisweilen düster.“
Mit der AfD müssen die Demokraten also allein fertig werden. Und dazu braucht es vor allem Selbstbewusstsein – und Mut: Denn selbst eine mit offenem Visier gedrehte Doku wie die des RBB entsteht, wie Olaf Sundermeyer, einer der Autoren, sagt, in einem von der AfD bewusst tolerierten „medienfeindlichen Klima“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin