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Quote umgangen

Stromwirtschaft verpflichtet sich selbst zum Klimaschutz via Kraft-Wärme-Kopplung. Zufrieden ist kaum jemand

BERLIN taz ■ „Paraphiert“. Auf diese Sprachregelung einigten sich die Protagonisten. „Die deutsche Stromwirtschaft und die Bundesregierung haben heute das Abkommen zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung paraphiert“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) gestern. Gemeint ist jene Selbstverpflichtung, die sich die Industrie gibt, um das Klimaschutzziel der Bundesrepublik zu schaffen: Mittels Kraft-Wärme-Kopplung sollen bis 2010 jährlich 23 Millionen Tonnen Kohlendioxid weniger ausgestoßen werden.

Monatelang hatten beide Seiten um die Verpflichtung gerungen. Aber nun, da der Streit zu Ende ist, mag keine Begeisterung aufkommen. „Die Vereinbarung ist akzeptabel, weil sie Schlimmeres verhindert“, erklärte Hans-Dieter Harig, Vorsitzender des Verbands der deutschen Verbundwirtschaft und E.on-Vorstandschef. Er spielte damit auf die Quotenregelung an, mit der Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) am Veto seines Wirtschaftskollegen gescheitert war. Trittin wollte einst die Stromerzeuger zwingen, einen bestimmten Anteil ihrer Produktion auf KWK umzustellen. Gestern nannte er das Ergebnis „befriedigend“. Immerhin hatte er im letzten Moment durchgesetzt, dass auch kleine Blockheizkraftwerke und Brennstoffzellen gefördert werden.

„Die Vereinbarung verlangt von der Branche größte Opfer“, stöhnte Günter Marquis, Chef des Verbands der Elektrizitätswirtschaft (VDEW). Und er wusste es auch zu beziffern: „Auf uns kommen bis 2020 Mehrkosten von etwa 8 Milliarden zu.“

Und BDI-Chef Carsten Kreklau sprach von „größten Schmerzen, unter denen uns das Paket abgerungen“ worden sei. Mit der Konjunktur stehe es ja nicht zum besten, „und steigende Strompreise werden das nicht ändern“, erklärte der BDI-Chef.

Denn die Stromwirtschaft wird die Mehrkosten auf die Kunden umlegen: Experten rechnen mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um etwa 0,2 Pfennig je Kilowattstunde. Noch ein Stichelbeispiel? „Klimaschutz liegt uns ja auch sehr am Herzen“, so E.on-Chef Harig. Mit ihrem Druck hat die Bundesregierung nun aber erreicht, „dass wir nicht den besten Weg dorthin nehmen“. Schließlich, so Harig, könne die Branche rechnen.

Dass die Konfliktlinie nicht nur zwischen Stromwirtschaft und Regierung, sondern auch innerhalb der Branche verläuft, verriet Gerhard Widder, Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). „Wenn dieses Land seine internationalen Klimaverpflichtungen erfüllen will, geht das nur mit KWK“, so Widder. Auf dem Markt könnten die Anlagen ohne Förderung aber nicht bestehen. Widder machte kein Hehl daraus, dass sich die Verhandlungen deshalb so lange hinzogen.

Am 2. Juli wird die Selbstverpflichtung nun das Kabinett beschäftigen, im August beginnt das Gesetzgebungsverfahren. Halte sich die Industrie nicht an ihre Verpflichtung, „führen wir doch noch unser Quotenmodell ein“, erklärte Trittin. „Also“, fasste Minister Müller das „Paraphieren“ zusammen, „wir haben einen Kompromiss, mit dem alle unzufrieden sind. Außer mir natürlich.“ NICK REIMER

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