■ Querspalte: Saufen aus zweiter Hand
Trockenheit ist nicht nur ein Zustand wüstenhafter Gebiete, sondern bald auch das Empfinden in den Kehlen trinkfreudiger US-Studenten. Für die Unis zwischen Boulder und Newark haben sich besorgte Menschen Ernüchterndes ausgedacht. Vernebelte Studis sollen nicht länger den Campus verunzieren. American Medical Association und Robert-Wood-Johnson- Stiftung heißen die Retter.
Mit Hilfe eines Programms für 8,6 Millionen Dollar wollen sie feuchte Unis wie in Bethlehem, Pennsylvania, trockenlegen. Durch Aufklären und Abstrafen. Die Bilanz muß erschüttern: US-Universitäten mit ausgeprägten „Trinktraditionen“ bergen ein doppelt so hohes Risiko für Tätlichkeiten. Und viele Kommilitonen leiden unter den Partys ihrer „betrunkenen Stubenkameraden“ (dpa). Dabei könnte alles so schön sein. Wie hierzulande. „Das Trinken ist gescheiter, das schmeckt schon nach Idee, da braucht man keine Leiter, das geht gleich in die Höh.“ Wußte schon Eichendorff. Und Eberhard Diepgen. Sich hochsaufen auf Bürgermeisterposten oder in Vorstandsetagen ist den Burschenschaftlern unter uns ja bestens vertraut.
Doch an den Colleges? Nichts mehr mit „higher and higher, baby“? Schon droht Stiftungsvize Nancy Kaufman mit verletzten Persönlichkeitsrechten durch „second hand drinking“. Gemeint sind „passive Trinker“, die den Rausch der Studiosi ertragen müssen. In üblicher Schwarzmalerei sehen wir bereits die Millionenklage einer durchgefallenen Kandidatin, weil der grölende Suffki von nebenan ihr die Nachtruhe vor dem Hauptexamen versaute.
Wenn das mal nicht 'ne Sackgasse ist! Enthielten nicht beschlagene Klingelbecher den Treibstoff für die Großen der Nation? Da gab es jenen unbedeutenden, aber akademisch gebildeten Politiker, der beschwatzte in der Lounge die Gäste bis zum Morgengrauen – die Zunge vom Alkohol gelöst. Dieser Mann hat es geschafft, und er schafft es sicher noch einmal. Nicht wahr, Bill Clinton? Thomas Worm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen