piwik no script img

Querspalte

■ Wir üben

Eine Kanzlerpuppe mit pompösen Kautschukmöpsen sagt im TV Sachen. Das sollte den Kanzlerdarsteller nicht stören, schließlich taucht er in weniger kuscheligen Zusammenhängen auf – etwa bei Meinungsumfragen. Trotzdem fragen die Medien wieder einmal: „Was darf Satire?“ Die Frage wird so routiniert deplatziert, dass verwundert, warum sie noch nicht zu den gesprengten Moskauer Wohnhäusern gestellt wurde. Weil der Satirebegriff mittlerweile für fast jede Absonderlichkeit in Anschlag gebracht wird, dürfen sich seriöse Kulturschaffende durchaus diffamiert fühlen. Deshalb sei hier kurz geklärt: Was ist Satire?

Was Dieter Hildebrandt im „Scheibenwischer“ treibt, ist eindeutig Satire. Das heißt nicht, dass es komisch ist. Bei Helge Schneider liegen die Dinge andersherum. Bei den Simpsons funktioniert beides. Es ist indes eindeutig keine Satire, sich nur darauf zu kaprizieren, dass Gerhard Schröder wahrscheinlich ein Genital besitzt und selbiges nicht nur zum Wasserlassen gebraucht. Dies ist nichts, was nach Übertreibung und Bloßstellung schreit, zumal Schröder die Budgetkürzungen nicht mit seinem Pinsel dirigiert, auch wenn Bild dergleichen mit Schlagzeilen wie: „Schröder bleibt hart“ zu implizieren sucht. Und komisch ist diese Darstellung exakt in den Grenzen, in denen agiert, wer mit Dieter Bohlen den Brockhaus teilt. Wenn Gerhard Schröder allerdings tatsächlich mit Gummibrüsten aufträte, so wäre dies Satire, wenn er damit besagte Schröder-„Satire“ karikieren wollte. Keine Satire wäre es, folgte er damit lediglich einer privaten Obsession. Hierfür würden Hohlköpfe dann den Terminus „Realsatire“ einsetzen.

Wenn es draußen regnet, so ist dies auch keine Satire, selbst wenn Schröder einen Waldspaziergang macht und keinen Schirm dabei hat. So, das genügt. Sie können die Federtaschen einpacken. Hofpause. André Mielke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen