■ Querspalte: Soldaten sind Piloten
Morgen Abend, so viel ist inzwischen durchgesickert, wird eine Ehrenformation vor dem Amtssitz von Rita Süssmuth Aufstellung nehmen und der Bundestagspräsidentin den Großen Zapfenstreich darbringen. Anschließend defiliert, angeführt von Volker Rühe, ein Fackelzug rechtsum im Parademarsch um das Haus in Bonn-Bad-Godesberg. Kameraden, ein Lied, einszwodrei: „Ri-hi-hi-ta, wir danken dir!“
Die Mutation der sonst als memmenhaft verschrienen Frau Professor zur Schutzheiligen der Bundeswehr kam über Nacht und durch Bild: Süssmuth soll als Privatfrau mit öffentlicher Linie geflogen sein, der besten, versteht sich, mit der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums. Inzwischen ist alles aufgeklärt und, wie Kollege Prüfer Klose sagt, voll in Ordnung. Das konnte doch auch keiner ahnen, daß die Bundeswehr so lang schon hauptsächlich damit beschäftigt ist, Parlamentarier von hier- nach dahin und wieder zurück zu befördern. Ein Staatssekretär möchte zum Fußballspiel ins Ausland? Zu Befehl, Herr Dings! Eisessen nach Venedig? Der Hubschrauber ist schon angetreten. Die Europameister kehren zurück aus Engelland? Ist doch klar, daß man die gleich im Staffelflug manndeckt.
„Ja, dienen!“ hieß es noch vor kurzem arg defätistisch in der Werbung für unsre feldgrauen Jungs. Dabei ist die Bundeswehr längst weiter als die bebarteten Friedensdividendenprediger. Soldaten sind keine Mörder mehr, sondern Piloten, Stewards und knallorangenes Bodenpersonal. Ganz ohne Bundeswehrhochschule kennen sie ihren Kampfauftrag, servieren Erdnüsse und Piccolos an Bord, verteilen Modelle des Eurofighters an mitreisende Kleinkinder und melden sogar den Halbzeitstand, wenn der FC Bayern unglücklich gegen St. Pauli verliert.
Endlich ist die Sinnkrise der Bundeswehr behoben. Seit Ritas Miles-&-More- Programm lautet der Tagesbefehl auch offiziell pazifistisch: „Ja, fliegen!“ Lange schallt's am Abend noch: „Rita, Rita, lebe hoch!“ Willi Winkler
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