■ Querspalte: Liebe. Ab sofort nur im Büro
Was ist das? Es schimmert gelb bis rot, macht Freudenfieber und verhilft zu glücklichen Tagen und Wochen. Es macht kirre, enthält kein Cholesterin, kein Fett. Ein schwer erklärbares Mysterium. Liebe. Schön, wenn der Zustand über Monate und Jahre anhält, doch zeitlich befristete Urlaubslieben sind erfahrungsgemäß die besten.
Denn je länger die Liebesleut gemeinsame Sache machen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß Probleme auftauchen. Abwaschberge, verlegte CDs und Seitensprünge liefern reichlich Stoff für langwierige Gespräche am Arbeitsplatz. Statt zu arbeiten, überlegen wohlmeinende Kollegen stundenlang hin und her. Rechtfertigt eine schief ausgedrückte Zahnpastatube eine Trennung, den schweren Schritt ins Alleinsein, ins menschliche Aus, dem Magendrücken, schlaflose Nächte und Krähenfüße folgen? Im echten Leben also braucht der Mensch viel länger für das, was sich im Urlaub binnen Tagen entscheidet.
Urlaubslieben sind nicht nur schön. Sie sind fortschrittlich und betriebswirtschaftlich auch höchst rentabel. Doch das begreifen Vorgesetzte nicht – zumindest in Düsseldorf. Unlängst brüllte dort ein ungeduldiger Unternehmer seinen Buchhalter Meier zu sich. „Meier, Sie kommen eine Woche zu spät aus Ihrem Urlaub. Wie erklären Sie das?“ Schüchtern stotterte der tiefgebräunte Meier etwas vom siebten Himmel, dermaßen blind vor Liebe sei er gewesen, daß er darüber vergaß, pünktlich seine Koffer zu packen. „Meier!“ bellte der Unternehmer, „Sie sind gefeuert!“ Meier klagte. Verlor. Und ist arbeitslos.
Ach Zivilisation, Schrecken der Sachlichkeit und des Arbeitsrechts! Kleine Lieben sind doch eine so feine Sache! Sollen wir uns ihnen jetzt etwa im Büro mit ebensoviel Hingabe widmen wie dem Anhäufen von Gewinnen? Na klar. Der Mensch braucht ein freudiges Leben. Dank der sensiblen Düsseldorfer Richter können wir es nur nicht mehr unter fernen Palmen suchen. Nehmen wir uns ihr Urteil zu Herzen. Im Büro. Annette Rogalla
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