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■ QuerspalteNicht mehr ganz sauber

Dank der Putzaktion des Senats „Sauberes Berlin“ bekommen auch Politiker, die eigentlich nichts zu melden haben, die einmalige Chance in ihrer Abgeordnetenlaufbahn, ihre Stimme zu erheben. Nehmen wir zum Beispiel Frau Hertlein, die für die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus sitzt. Die Verbraucherexpertin, die die Stadt in buntem Schmutz versinken sieht, appelliert jetzt an Einzelhändler, dicke Filzstifte nur noch gegen Gesichtskontrolle zu verkaufen. „Ein Großteil der Schmierereien auf BVG-Plänen und auf den Sitzen und Fenstern der öffentlichen Verkehrsmittel wird bekanntlich mit extradicken Filzstiften ausgeführt“, teilt die ehemalige Redakteurin der Stiftung Warentest mit. „Um etwas für die Sauberkeit der Stadt zu tun, sollten diese Stifte nicht mehr in Selbstbedienung angeboten werden“, ruft sie empört. Statt dessen sollten die Stifte „hinter Glas“ feilgeboten werden. Fragen verdutzter Kunden könnten die Einzelhändler mit dem Hinweis auf die „Aktion Sauberes Berlin“ beantworten.

Hertleins Vorschlag gehört nur auf den ersten Blick zu denen, die an Dummheit nicht zu übertreffen sind. Der Hertlein- Coup gerät ins Hintertreffen, wenn man die Forderung der Bürgerinitiative „Noffiti e.V.“ vernimmt. Die fordert im Zeichen einer sauberen Stadt „Graffiti-Schnellgerichte“. Damit ist nicht etwa ein fahrbarer Abendtisch für hungrige Sprayer gemeint. Nein. Die sauberen Bürger zur Rettung des Stadtbildes wehren sich gegen den Vorschlag der Senatsjugendverwaltung, einen Opferfonds für Graffiti-Sprayer einzurichten, um ihnen bei der Zahlung von Schadensersatz mit zinslosen Darlehen unter die Arme zu greifen. Doch eigentlich ist der Opferfonds gar nicht nötig. Man braucht nur jeden Politiker oder Verein zur Kasse zu bitten, der mit Schwachsinn von sich reden macht. Barbara Bollwahn

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