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■ QuerspalteEhrennadel für die Reichen

Anstatt nur immer (typisch deutsch!) über die Arbeitslosen zu jammern, sollte sich Deutschland mehr an seinen Millionären erfreuen. Und die einzigartige politische Chance erkennen, die darin liegt, daß immer mehr Mitbürger auf Geld und Immobilien sitzen. Es ist ein Zeichen sozialen Fortschritts, daß es inzwischen in Deutschland eine Million Millionäre gibt. Und eine weitere Million besitzt immerhin Werte in Höhe von mehr als 700.000 Mark. „Die Verteilung des Privatvermögens in Deutschland ist gleichmäßiger geworden“, hat sich selbst Arbeitsminister Norbert Blüm unlängst gefreut.

Aber die Arbeit! Sie (ja, auch Sie!) sind zu teuer, wenn Sie denn unbedingt arbeiten gehen wollen. Die Arbeitgeber entschwinden lieber in Länder, wo die Steuern niedrig und der Käse billig ist. Der Umverteilungskrampf mit Teilzeit (will kaum einer machen) oder Lohnverzicht (Jobs verschwinden trotzdem), das bringt nichts.

Die Millionäre und Fastmillionäre sind unsere einzige politische Chance – wenn sie ihr Geld nur richtig anlegen. Shareholder value! Rein in die Aktien, Siemens- Krupp-Hoesch-Thyssen-Bayer kaufen. Shareholder value steigt, vielleicht sogar noch mehr, wenn noch ein paar tausend entlassen werden. Und dann rechtzeitig verkaufen, zehn Prozent Rendite im Jahr, sagen wir mal, und das Kapital nebenbei ein bißchen abschmelzen. Macht so 70.000, 100.000 und mehr Märker im Jahr, genug zum Leben.

Und jetzt kommt's: Arbeitsverbot für Reiche! Freizeitumverteilung, das ist es. Zwei Millionen (Fast-)Millionäre weg vom Arbeitsmarkt – und schon werden Jobs satt frei. Halbe Arbeitslosigkeit noch vor dem Jahr 2000, Kohl, du hattest mehr als recht! Beschäftigung gibt es genug für die Freizeitler: Ehrenämter, Sozialarbeit, Dritter Sektor, eine bessere Gesellschaft. Die goldene Arbeitsverzichtsnadel nicht mehr für die Frauen, sondern für unsere Reichen. Und am Ende sind die Millionäre keine Millionäre mehr. Alle sind gleicher als vorher. Und Deutschland wieder Vorbild. Na also. Barbara Dribbusch

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