■ Querspalte: Rettet den Döner!
Die Crux der Klassengesellschaft ist ihre Ungerechtigkeit. Die Großen hängt man, die Kleinen läßt man laufen. Laut schreit das Volk „Haltet die großkopferten Diebe!“, verbannt Peter Graf wegen Steuerhinterziehung ewige Zeiten in U-Haft, um dann selbst ganz entspannt die Sozial- und Finanzämter zu betrügen, wo es eben geht.
Die kleinbürgerliche Parteilichkeit hat Methode. Während zum Beispiel der McDonald's-Konzern jährlich zig Millionen Mark investieren muß, um sein Image als Regenwaldzerstörer, Ozonkiller und Vernichter regionaler Identitäten loszuwerden, bleibt die umsatzstärkere Dönerindustrie von Kritik weitgehend verschont. Ungestraft darf sie täglich ganze Rinderherden zerfleischen.
„Jeder zweite Döner ist zu alt und zu fett.“ Mit dieser Horrormeldung schreckte die Berliner Zeitung zum Wochenende ihre LeserInnen auf. Schaden wird's der Branche kaum. Schon vor zehn Jahren hatte ein Berliner Lebensmitteltechnologe Alarm geschlagen – zu alt, zu fett seien sie, zu viel Fremdstoffe seien drin. Geändert hat sich nichts.
Anstatt, wie gewohnt, lauthals gegen den Pfusch am Lebensmittel zu protestieren, wenden sich die Fans verschämt und schweigend vom Döner ab. „Die wollen uns mit ihrer Scheiße vergiften“, muckten vor Jahren ein paar vorwitzige Kreuzberger angesichts der schleichenden Metamorphose des Döners in undefinierbare Fleischpampe auf. Die taz, in den antiimperialistischen Kampf gegen McDonald's verstrickt, rief zur Räson: „Eine mitunter rassistische Phobie gegen den Dönerkebab breitet sich aus.“ Damit war klargestellt, daß für die Kritik am (internationalistischen) Döner andere Maßstäbe zu gelten haben als für US-Hamburger- Ketten.
Was auch passieren mag – schuld haben die Konzerne. Angesichts sich häufender Negativschlagzeilen mutmaßt ein Dönerproduzent folgerichtig: „Dahinter steckt die amerikanische Hamburgerindustrie.“ Der Döner wird gefährlich fremd. Eberhard Seidel-Pielen
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