piwik no script img

■ QuerspalteKohl und die Etikette

Welche Schuhgröße hat Helmut Kohl? Am Samstag, während des Weltwirtschaftsgipfels in Denver, sollte der Bundeskanzler auf Wunsch von US-Präsident Bill Clinton das abendliche Unterhaltungsprogramm in Cowyboystiefeln absolvieren. Ein Hut und ein kariertes Hemd waren ebenfalls gefragt.

Bevor wir uns den tatsächlichen Folgen dieser Aufforderung widmen, wollen wir kurz einmal annehmen, unser Bundeskanzler hieße Schröder, Lafontaine oder Fischer. Oder sogar Westerwelle bzw. Stoiber. Hätten die ihre Fahrer losgeschickt, flink eine entsprechende Garderobe zu besorgen? Niemals, sage ich. Nein, diese Männer wären natürlich nicht unvorbereietet, also ohne Stiefel und Sporen, ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten gereist. Das erste, was sie in ihrem Hotelzimmer auf den Bügel gehängt hätten, wäre das Baumwollhemd gewesen. Bill Clinton ist bekanntermaßen ein lustiger Mensch – er spielt öffentlich Saxophon –, und für ein Foto, das sie als Privatleute zeigt, tun strebsame Politiker alles. Von Guido Westerwelle („meine Traumfrau heißt Pippi Langstrumpf“) wage ich gar zu behaupten, daß er seine Ausstattung um ein originelles Brandeisen ergänzt hätte.

Was aber geschah wirklich? Kein Schröder tanzte Square dance, kein Fischer schwang enthemmt das Lasso: Helmut Kohl weigerte sich, sein Haupt mit einem albernen Hut zu bedecken. Mehr noch: Er überredete seinen französischen Kollegen, es ihm gleichzutun, und erschien in Anzug und Krawatte zum Abendessen. Dafür wurde er von Teilen der Presse ausgebuht, der ordnungsgemäß gekleidete Japaner hingegen gefeiert. Und warum tat Kohl das? Weil er nur so zu Clinton sagen konnte, der sähe aus „wie der Präsident des Bauernverbandes“. Und das, liebe Leser und Leserinnen, ist wahr und stimmt nämlich auch ohne kariertes Hemd.

Stoiber? Was Stoiber getan hätte? Keine Ahnung, ob der in seiner Uniform als deutscher Cowboy durchgegangen wäre. Carola Rönneburg

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen