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■ QuerspalteAngler mit Mikrofon

Als Didi Thurau einst bei der Tour de France in sattem Gelb nach Leibeskräften rackerte und strampelte, drohte ihm die rohe Gewalt der Natur in Form hoher Berge. „Die Alpen kommen“, raunten die Gazetten, und auf den damals zur Verfügung stehenden Fernsehkanälen witterten die Reporter tragisches Unheil. So war es dann auch. Die Alpen kamen, und für Didi war es mit der gelben Herrlichkeit vorbei. Dietrich Thurau blieb der Mann der flachen Etappen. L'Alpe d'Huez und Courchevel, Namen wie aus Asterix und die Odyssee, wurden auf immer zum deutschen Radfahrerinferno. Sie sind sentimentalische Erinnerung an eine Zeit, als die Tour noch eine menschliche Prüfung war und die Ertastung irdischer Grenzen bedeutete.

Ist es nicht eine eigenartige Ironie der Naturgeschichte, daß Jan Ullrich in diesen Tagen mit „guten Beinen“ und atemberaubendem Erholungspuls über die Alpen huscht, als seien es mecklenburgische Erhebungen seiner Heimat, derweil die Naturgewalt von Osten her beharrlich näherrückt? Die Alpen bleiben, wo sie sind, aber die Wasser der so beschaulich dahinfließenden Oder und anderer naturbelassener Flüsse steigen bedrohlich bis zum Rand und darüber hinaus. 6,20, 6,50, als seien es die Minutenrückstände von Pantani und Virenque. Auch die Reporter mischen wieder mit, in schicken Ganzkörperkondomen und bis zum Hals im Wasser ihre visuellen Gestaltungsprobleme lösend. Wie zum Teufel zeigt man Naturgewalt, wenn sie keine Häuser wegfegt, Feuer speit und lodert?

Recherchen vom Wochenende bei öffentlich-rechtlichen wie privaten Sendern haben annähernd gleiche Ergebnisse zutage gefördert. Die Katastrophe präsentiert sich in Gestalt eines Angelausflugs zum Rügener Bodden. Das Perfide der Hochwasserkatastrophe ist ihre strikte Weigerung, sich nach allen Regeln der Television dramatisieren zu lassen. „Ach Mutter, mach die Türen zu/Ich glaub es, kommt ein Regen“, sang einmal Wolf Biermann den passenden Song zur gemütlichen Deichparty. Harry Nutt

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