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■ QuerspalteMonopolisten in den Knast

Kennen Sie Marcel Avram? Das ist der Mann, der „Tina Turner nach Deutschland geholt hat“, wie ihn der Berliner Tagesspiegel hinreichend beschreibt. Jetzt ist der Chef der Agentur Mama Concerts zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Allerdings nicht, weil er der alten Dame Zutritt zu hiesigen Bühnen verschafft hat, sondern wegen eines wesentlich geringfügigeren Vergehens: Der Veranstalter hat fünf Millionen Mark Steuern hinterzogen.

Die Reaktionen auf das Urteil gegen den Großunternehmer sind wohl beispiellos in der Geschichte der bundesdeutschen Marktwirtshaft: Anstatt, wie es sich geziemt, klammheimlich zu jubeln, freute sich die Konkurrenz in aller Öffentlichkeit. Wenn der allmächtige Avram nicht mehr in seinem Münchener Büro sitze, sondern hinter Gittern, könnten viele unbekannte Agenturen beweisen, daß auch sie das Einmaleins des Tina-Turner-Engagierens beherrschen, meint Jens Michow, der Präsident des Interessenverbandes Deutscher Konzertveranstalter. Und das sei begrüßenswert in einer Zeit, „in der das Geschäft ziemlich monopolistisch anmutet“.

Der Tagesspiegel, der Kritik an monopolkapitalistischen Strukturen bisher kaum verdächtig, schlagzeilt dazu: „Verurteilung Avrams könnte Konzertbranche gut bekommen“. Und in der Sub-Headline präzisiert das Blatt: „Wenn die großen Musikveranstalter im Gefängnis sitzen, steigen die Chancen für den Nachwuchs“.

Das leuchtet ein. Aber warum hat diesen Gedanken vorher niemand propagiert? Schließlich sind vor Avram schon ein paar andere schwere Jungs aus „ziemlich monopolistisch anmutenden“ Branchen wegen Beschummeln des Finanzamtes ins Kittchen gewandert. Egal, besser spät als nie, noch kann der Wirtschaftsstandort Deutschland gerettet werden: Frühvergreiste Monopolisten in den Knast, innovationsfreudige Nachwuchsunternehmer an die Macht! Das geht ganz leicht. Eine Anklage wegen Steuerhinterziehung läßt sich ja jedem Mogul anhängen. René Martens

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