■ Querspalte: Nicht ohne meine Monica
Den Spielern der iranischen Mannschaft geht es wie uns. Sie haben die Nase voll von Fußball. Deshalb haben sie den Sieg der deutschen Mannschaft gegen die US-Boys noch nicht einmal zu Ende angeschaut. Obwohl sie im Iran nicht ständig Weltklassefußball sehen, wurde ihnen der Kick schon in der ersten Halbzeit langweilig. Also zappten sie ein wenig durch die anderen Sender. Verständlich. Schließlich haben französiche Film- und Fernsehmacher seit jeher ein unverkrampftes Verhältnis zur Darstellung nackter Haut, insbesondere weiblicher nackter Haut. Und blutjunge Französinnen mit großen Brüsten sind im Staatsfernsehen der islamischen Republik Iran wohl noch seltener zu sehen als guter Fußball. Leider lief auf dem Privatsender M 6 gerade nicht „Emmanuelle VII“, sondern „Nicht ohne meine Tochter“. Der Film erzählt anklagend, wie ein iranischer Vater seine Tochter nach Teheran entführt. So etwas gibt es im iranischen Fernsehen noch seltener zu sehen als nackte Haut.
Die entrüsteten iranischen Kicker forderten M 6 auf, während der Weltmeisterschaft auch den Film Schindlers Liste zu senden und „Filme, die zeigen, was die Engländer in Indien gemacht haben“. Der Gedanke ist anregend. Der Sender hat sowieso keine Übertragungsrechte für WM-Spiele ergattern können. Da kann er ja parallel zu den Spielen über die dunklen Seiten der teilnehmenden Nationen berichten. Chile gegen Italien: Pinochets Folterknechte und Mussolinis Giftgas in Eritrea. Dänemark gegen Japan: Kolonisierung Grönlands und Besetzung der Mandschurei. Vielleicht kann man in den 90 Minuten auch noch einen Kommentar der Historiker des iranischen Fußballverbands unterbringen. Am Sonntag, parallel zum Spiel Iran–USA, startet die Serie. M6 klagt den Satansstaat an. Titel der Sendung: „Die Frauen des Präsidenten: Jennifer, Paula, Monica und die anderen...“ (M 6, Sonntag, 21 Uhr) Du glückliches Amerika! Solche dunklen Punkte wünschen sich andere in ihrer Geschichte – wohl auch im Iran. Robin Alexander
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