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■ QuerspalteLob der Graswurzel

„Graswurzelarbeit ist der Weg zum Erfolg. Das gilt heute wie damals.“ Ja, auch einer Regierungszeitung wie der taz steht es gut an, der Gegenöffentlichkeit ein Forum zu bieten. Deshalb dokumentieren wir heute die Oppositionspresse. Dies Lob der Graswurzelarbeit singt übrigens Matthias Wissmann, der es so immerhin bis zum Verkehrsminister gebracht hat. Die Zeitschrift Die Entscheidung gehört der Jungen Union und erzählt, wie Wurzel-Wissmanns Graskarriere anfing: „Der Hausmeister seiner Schule schickte sich an, dreimal hintereinander derart drastisch die Brezelpreise zu erhöhen, daß Wissmann der Gerechtigkeitssinn packte. Er rief seine Schulkameraden zum Brezelstreik.“

Heute hat die Junge Union ganz andere Sorgen als Brezelpreise, etwa ihre neue Vorsitzende Hildegard Müller. Die erste Frau an der Spitze der Jungunionisten gibt sich betont unverkrampft – besonders im Verhältnis zur Metapher. „Die Wahlen sind verloren, und in Reihen der CDU sprießen die Erklärungsansätze wie Pilze aus dem Boden.“ schreibt sie im JU-Heft, und weiter heißt es: „Die Gründe für dieses Wahldesaster sind so facettenreich wie die Menschen in unserem Land...“

Solche Töne hat man bis jetzt noch nicht einmal aus der Jungen Union gehört. „Brillante Ideen wurden mit der Kompromißschere im Kopf verstümmelt.“ Damit will Hildegard Müller Schluß machen und „... emotionale Fragen wie Sterbehilfe, Menschenrechte, Technologierisiken breiter als bisher diskutieren“.

Wie jemand, für den Folter und Super-GAU Gefühls- und Geschmacksfragen sind, Chefin der Jungen Union wird? „Wer mauschelt am besten im eigenen Verband“, scheint Matthias Wissmann laut JU-Blatt „vorwiegendes Qualifikationsmerkmal für höhere Weihen zu sein“. Und: „Als er das sagt und schmunzelt, wirkt er, als ginge ihm neuerlich sein sagenumwobener Brezelstreik durch den Kopf.“ Robin Alexander

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