■ Querspalte: Gelesen, gefochten, geschossen
Wenn Johann Wolfgang Goethe heute lebte, wäre er Chefredakteur von Fit for fun. Diese Behauptung mag etwas gewagt klingen im ersten Moment. Doch wer die Forschungsarbeiten einiger goetheophiler Sportsfreunde analysiert, die zum 250. Geburtstag von JWG hervorgekramt werden, kann sich der Plausibilität der These nicht mehr verschließen. Der Schweizer Frank Nager schreibt z.B.: „Für Goethe waren Bewegung und Sport einerseits die Quelle der Vitalität und Lebensfreude, andererseits ging es ihm um bewußte Körpererziehung, um Abhärtung und um die Pflege der körperlichen und seelischen Gesundheit.“ Und der Publizist Manfred Lehnen sieht in Goethe sogar den „ersten Trimmpapst“.
Der dichtende Körperkult-Propagandist, der Bewegung für „ewig nötig“ hielt, glänzte in verschiedenen Disziplinen. Schon seit Teenagertagen galt er als gefürchteter Fechter („Gelesen, gefochten, geschossen... Ich habe heute einen schönen Tag gehabt“, schrieb er mal in sein Tagebuch), und die Strecke Leipzig–Weimar bewältigte er zu Pferd in nur achteinhalb Stunden. Sämtliche Freunde animierte er zum Eislaufen, nachdem ihn Friedrich Gottlieb Klopstock, eine Genosse im Sturm und Drang, einst aufs Gefrorene gelockt hatte. Darüber hinaus wird Goethe eine Bekanntschaft nachgesagt mit Johann Christoph Friedrich Guts Muths, diesem blöden Hund, dem wir das Schulturnen zu verdanken haben.
Seine Body-Politik hat Goethe auch Bewunderer eingebracht, die er sich selbst kaum ausgesucht hätte. Dazu gehörte der NS-Sportfunktionär Carl Diem, der in den letzten Kriegstagen noch eine flammende Rede vor HJ-Mitgliedern hielt, damit diese das Reichtssportfeld in Berlin verteidigen. Man dürfe den Dichter „den ersten Sportlehrer nennen“, schreibt Diem in seinem Buch „Körpererziehung bei Goethe“, das er, inzwischen natürlich ein 1a-Demokrat, 1948 veröffentlichte. Fragt sich nur, warum noch niemand auf die Idee gekommen ist, in diesem Jahr zu Ehren des Meisters einen Weimar-Marathon zu veranstalten. René Martens
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen