Querspalte:
Surfari
Ich mag das Inselkino. Falls Sie es noch nicht kennen: Es liegt auf dieser Insel mitten in der Spree mitten im Nichts mitten in Berlin. In Alt-Treptow, genauer gesagt. Vor ein paar Wochen ging ich mit ein paar Freunden hin, weil wir den Surf-Klassiker „Endloser Sommer“ sehen wollten, noch aus den Sechzigern. Überhaupt nur im Inselkino anzukommen, erinnerte schon an eine meiner alten „Surfaris“. An der S-Bahn-Station Treptower Park standen wir eine Weile orientierungslos herum und winkten schließlich ein Taxi heran, das uns an einem Waldrand absetzte. „Wo ist es denn?“, fragten wir. „Da drüben“, sagte der Fahrer und zeigte in den Wald.
Eigentlich fragten wir uns weniger, ob wir das Kino finden würden, als vielmehr, wo wir später ein Taxi für die Rückfahrt bekommen könnten. Wir wanderten über dunkle Nebenwege und gelangten schließlich an den Fuß einer majestätisch aufragenden Betonbrücke. Sie brachte uns über das Wasser zu dem burgartigen Gebäude auf der anderen Seite: eben zum Inselkino.
Wir gingen hinein, stiegen in die Eingeweide des Gebäudes hinab und kamen schließlich zu einer Art Kinobüffet. Niemand war zu sehen. Wir gaben laute Geräusche von uns, bis schließlich ein Typ durch die Tür kam und uns die Karten verkaufte. Acht Mark, und ein Bier gratis dazu. Nicht übel.
Wir gingen in das Kino. Es war dunkel und voll schäbiger Sessel. Wir hatten die freie Auswahl, denn wir waren die einzigen Besucher. Kurz nach Beginn des Films brauchte ich unbedingt noch ein Radeberger und ging zum Büffett; weil wieder keiner da war, bediente ich mich selbst. (Nach dem Film sagte ich dem Vorführer-Betreiber-Kartenverkäufer, ich hätte ihm ein Bier gestohlen, aber er sagte nur „Kein Problem“ und wollte kein Geld.)
Mitten im Film wanderten ein Mann und eine Frau herein, blieben etwa zehn Minuten und gingen dann wieder. Was hatten sie wohl erwartet, dass sie den langen Weg auf sich genommen hatten? Einen Kunstfilm von Cocteau? Nein, Cocteau war es Gott sei Dank nicht. Der „Endlose Sommer“ ist eine sehr simple Geschichte und handelt von zwei kalifornischen Surfern, die den ganzen Herbst und Winter um die Welt reisen, damit sie immer ohne ihre Gummianzüge surfen können. Und ich war ein kalifornischer Surfer, der um die halbe Welt gereist war, um diesen Film zum allerersten Mal auf einer großen Leinwand sehen zu können – in Berlins Inselkino. Kevin McAleer
(Übersetzung aus dem Englischen: Meino Bünning)
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