Querspalte:
Hegemonie der 50-Jährigen
Wir schreiben das Jahr Nullnull. Noch ist nicht alles aufgearbeitet. Man hat ja auch noch ein Jahr Zeit, die Notizen und Zeitungsausschnitte aus dem Dezember 99 aufzubereiten, bevor das dritte Jahrtausend der unsrigen Zeitrechnung so richtig los geht. Im übrigen ist dies Jahr das „Jahr der Mathematik“ (Die Zeit). Vermutlich auch noch alles mögliche andere. Man weiß ja ohnehin nicht so richtig, wer hinter solchen Zuschreibungen steckt. Man liest das irgendwo, setzt es in die Zeitung und die anderen wiederholen es, wie die Woche vor drei Wochen, die den Dichter Benjamin von Stuckrad-Barre gefragt hatte, was er denn dazu meine, dass die taz also gefordert hätte, „Benjamin von Stuckrad-Barre muss sterben“.
Diese Forderung hatte genau hier mal als Halbsatz eines Zitats gestanden. Der andere Teil des Zitats hieß: „damit ich leben kann“, hatte also wiederum auf die Forderung unsrer lieben deutschen Autonomen rekurriert, die einerseits christologischen Ursprungs ist („Jesus musste sterben, damit wir leben“) und andererseits irgendwie auf Selbstauslöschung hinauslief so in dem Sinne, dass, wenn alle Deutschen scheiße sind, auch alle deutschen Autonomen scheiße sind. Wie auch immer und jeden Tag streben wir nach „brutalstmöglicher Aufklärung“ (Roland Koch).
Mit Latex ohne Gummi! Auf englisch klingt das charmanter: Enlightenment! Leider ist jetzt kein Platz mehr, auf die diversen Top-2000-Hitparaden einzugehen, die kurz vor Silvester liefen und bewiesen, dass die regierenden 50-Jährigen mittlerweile auch die kulturelle Hegemonie errungen haben, wobei es auf den ersten drei Plätzen keinerlei und sonst nicht allzuviel Überschneidungen gab – in Berlin war „Stairway to Heaven“ die Nummer Eins, in Hamburg: „Yesterday“ – was auf ein gutes Funktionieren des Föderalismus deutet. Detlef Kuhlbrodt
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