Quereinstieg an Berliner Schulen: Problematischer Trend
Quereinsteigende landen besonders häufig an Brennpunktschulen, belegen nun aktuelle Zahlen der Bildungsverwaltung.
In den Lehrerzimmern verfestigt sich ein Trend, und die Bildungsverwaltung findet kein rechtes Mittel dagegen: Schulen mit einem guten Ruf, solche in besseren Kiezlagen und grundsätzlich Gymnasien greifen die regulär ausgebildeten LehrämtlerInnen ab. Die Ausbildung der Quereinsteigenden hingegen müssen – und zwar in zunehmendem Maße – vor allem jene Schulen wuppen, die ohnehin schon zu kämpfen haben.
Die entsprechenden Daten hat die Bildungsverwaltung nun auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck ermittelt. Demnach gibt es im laufenden Schuljahr an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen rund 1.850 QuereinsteigerInnen im berufsbegleitenden Referendariat. Ihr Anteil in den Kollegien schwankt zwischen 1 Prozent wie etwa am Gymnasium Steglitz und 27 Prozent an der Weddinger Gottfried-Röhl-Grundschule. Berlinweit liegt ihr Anteil bei sechs Prozent.
Grundsätzlich fällt auf: Grundschulen in sozial benachteiligten Kiezen kommen fast durchweg auf zweistellige Prozentwerte. So etwa die Neuköllner Sonnen-Grundschule (25 Prozent), die zu Schuljahresstart mit einer Protestaktion gegen die ungleiche Verteilung der SeiteneinsteigerInnen demonstriert hatte. „Die nächsten Lehrer, die fertig werden, sollten zu uns, weil bei uns besonders viele bedürftige Kinder sind“, hatte Schulleiterin Karoline Pocko Moukoury im taz-Interview gesagt.
Im Vergleich zum vorigen Schuljahr ist der Anteil der QuereinsteigerInnen an der Sonnen-Grundschule aber um neun Prozentpunkte gestiegen, an von der Sozialstruktur vergleichbaren Schulen ist der Trend ähnlich.
Bessere Steuerung
SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasić fordert deshalb, Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) müsse sich dringend Gedanken über eine bessere Steuerung des Quereinstiegs machen. Scheeres' Appell zum Schulstart, dass Brennpunktschulen zuerst berücksichtigt werden sollen bei der Verteilung der regulär ausgebildeten LehrerInnen würde ihrem Vernehmen nach von vielen regionalen Personalräten nicht mitgetragen.
Lasić sagt, sie könne sich auch eine feste Quereinstiegsquote für jede Schule vorstellen: „Wenn vier Stellen neu zu besetzen sind – warum nicht sagen: ein bis zwei müssen an Quereinsteiger gehen.“
Auch die Verbeamtungsdebatte will Lasić weiter führen. Berlin ist das einzige Bundesland, das nicht verbeamtet. „Da müssen wir uns die Frage stellen, ob wir noch wettbewerbsfähig sind.“ Insgesamt verdiene eine angestellte Lehrerin im Laufe ihres Berufslebens rund 200.000 Euro weniger als eine verbeamtete Kollegin.
Scheeres hatte im taz-Interview betont, die Verbeamtung sei kein Tabu mehr. Ihre Koalitionspartner Grüne und Linke äußerten sich im Tagesspiegel ablehnend. Udo Mertens, Tarifexperte bei der Gewerkschaft GEW, betonte, die Verbeamtung sei keine Maßnahme gegen den Fachkräftemangel: „Auch dort, wo verbeamtet wird, ändert das nichts.“ Zudem gebe es keine Statistik, die erfasse, mit welcher Motivation fertig ausgebildete LehrerInnen nach dem Studium Berlin wieder verlassen.
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