piwik no script img

Quallen vernaschen LachsfarmHeuschrecken des Meeres

Sieben Stunden lang haben Millionen Quallen die Lachskäfige einer Fima in det irischen See angegriffen - und 100.000 Tiere getötet. Der Betrieb steht vor dem Aus.

"So etwas habe ich noch nie erlebt" Bild: dpa/oceana/carlos suarez

DUBLIN taz Das Meer war rot vor lauter Quallen", sagte John Russell, der Geschäftsführer der einzigen Lachsfarm Nordirlands. "Wir konnten überhaupt nichts machen." Millionen von Leuchtquallen - Russell spricht sogar von Milliarden - haben die beiden Netzkäfige der Firma Northern Salmon sieben Stunden lang angegriffen. Am Ende waren 100.000 Zuchtlachse tot.

Sie starben an den Wunden, die ihnen die Quallen beibrachten, und am Stress. Angestellte der Farm versuchten, die Käfige in drei Booten zu erreichen, aber sie kamen aufgrund der Quallendichte nur langsam voran. Als sie nach Stunden die Käfige anderthalb Kilometer vor der Küste in der Irischen See bei Cushendun in der Grafschaft Antrim erreichten, war es zu spät.

"Wir sind immer noch dabei, das ganze Ausmaß des Schadens festzustellen, aber er ist mit Sicherheit gewaltig", sagte Russell. Er rechnet mit einem Verlust von umgerechnet rund 1,5 Millionen Euro. Es werde mindestens zwei Jahre dauern, bis sich die Firma wieder erholt hat - wenn überhaupt. "Es ist nicht sicher, ob wir überhaupt weitermachen können", sagte er. "Unser Lachs ist ein Top-Produkt und ein Aushängeschild der Fischereiindustrie in Nordirland. Deshalb wäre es so wichtig, dass wir wieder auf die Beine kommen und uns von diesem erheblichen finanziellen Verlust wieder erholen."

Das nordirische Landwirtschaftsministerium hat eine Untersuchung eingeleitet. Ministerin Michelle Gildernew von Sinn Féin, dem politischen Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), erwägt zurzeit noch, der Firma finanziell unter die Arme zu greifen, um die Arbeitsplätze der zwölf Angestellten zu retten.

Northern Rock verkauft den Lachs unter dem Namen "Glenarm Salmon" an einige der besten Restaurants in London. Voriges Jahr bekam die Queen eines der Tiere zu ihrem 80. Geburtstag aufgetischt, zubereitet vom Starkoch Richard Corrigan. Die Lachse werden auch nach Deutschland, Frankreich, Belgien und in die USA exportiert. Ihre Qualität beruht auf den starken Tidenhuben, die den Fischen einiges abverlangen, und dem relativ sauberen Wasser am nördlichen Ende der Irischen See. Weil das Unternehmen auf Chemikalien und Antibiotika verzichtet, tragen die Produkte das Gütesiegel des Organischen Lebensmittelverbandes.

"Es ist eine Katastrophe für das Unternehmen", sagte Russell. "Dagegen gibt es keine Gesetze." Er hatte seine Stelle als Geschäftsführer erst drei Tage vor dem Angriff der Killerquallen angetreten.

Russell stammt aus dem schottischen Fort William, wo er bis dahin auf einer Fischfarm gearbeitet hatte. "In den dreißig Jahren, in denen ich in diesem Geschäft bin, habe ich so etwas noch nie erlebt", sagte er. "Es war beispiellos - absolut verblüffend."

Der Quallenschwarm bedeckte eine Fläche von mehr als dreißig Quadratkilometern. Zwar hat es auch früher schon Quallenangriffe auf Fischfarmen in Großbritannien und Irland gegeben, aber die Leuchtqualle, wissenschaftlich "Pelugia noctiluca", kommt in den kühleren Gewässern eigentlich nicht vor. Man nimmt an, dass sie durch starke Nordwinde dort hingetrieben wurden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!