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Putschversuch in der Türkei104 lebenslängliche Haftstrafen

In einem Massenprozess gegen angebliche Putschisten in der Türkei sind sehr hohe Strafen verhängt worden. Vor allem Militärs standen vor Gericht.

Akin Oztürk, Ex-Chef der türkischen Luftwaffe, bei seiner Festnahme am 1. August 2017 Foto: ap

ISTANBUL taz | Am Montagabend ist einer der Massenprozesse gegen angebliche Putschisten des 15. Juli 2016 mit drakonischen Strafen zu Ende gegangen. Von 280 Angeklagten erhielten 104 eine lebenslange erschwerte Haftstrafe, das bedeutet, sie dürfen nicht vorzeitig entlassen werden.

In dem Prozess in Izmir waren vor allem Militärs der Ägäis-Armee und Marine angeklagt, darunter auch eine ganze Reihe von Generälen und Admirälen. Einer der zu lebenslanger Haft verurteilten ist Memduh Hakbilen, der bis zum Putsch kommandierende General der Armee.

Einundzwanzig der zu lebenslänglicher Haft verurteilten Angeklagten bekamen noch einmal 20 Jahre obendrauf, weil sie in ein direktes Mordkomplott gegen Präsident Erdogan verwickelt gewesen sein sollen.

Hintergrund dieser Anschuldigung ist, dass von einem Militärflughafen bei Izmir das Kommando gestartet sein soll, das in der Putschnacht den an der Ägäisküste in einem Ferienressort weilenden Staatschef festnehmen sollten. Die unmittelbar an dem Kommando beteiligten Soldaten sind schon im letzten Herbst zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt worden.

Insgesamt 285 Prozesse

Die meisten Prozesse zur Aufarbeitung des gescheiterten Putsches, bei dem fast 250 Menschen getötet und 2.200 weitere verletzt wurde, gehen jetzt in ihre finale Phase oder sind bereits beendet. In insgesamt 285 Prozessen sind mehrere tausend Menschen angeklagt, Militärs, Polizisten, Geheimdienstler Bürokraten oder Zivilisten aus allen Teilen der Gesellschaft.

Nach Überzeugung der Regierung wurde der Putsch von der islamischen Gülen-Sekte initiiert, die zuvor das Militär, die Polizei und die Justiz weiträumig unterwandert haben soll. Bis 2013 war die Gülen-Sekte ein enger verbündeter von Erdogan. Dann kam es zu einem Machtkampf, der anscheinend in den Putschversuch mündete.

Deshalb ist in allen diesen Prozessen auch immer der in den USA lebende Sektenführer Fethullah Gülen der erste Angeklagte. Allerdings wurde er bislang von den USA nicht ausgeliefert und wird deshalb jedesmal in Abwesenheit verurteilt.

Von den 285 Prozessen sind rund 150 bereits beendet. Vor den Verurteilungen am Montagabend hatte ein Gericht in Istanbul bereits am letzten Freitag 63 Soldaten, darunter über 50 junge Kadetten, zu lebenslanger Haft verurteilt. Das waren die Soldaten, die auf Anordnung ihrer Vorgesetzten in der Putschnacht die Bosporusbrücke sperren sollten, nach eigenen Angaben ohne zu wissen, dass sie damit Teil eines Putschversuches waren.

Massive Vorverurteilungen

Eine genaue Auflistung wie viele Angeklagte bislang die Höchststrafe lebenslanger Haft erhalten haben gibt es offiziell nicht. Laut Pressemeldungen waren es bis Ende April allein in den Hauptprozessen in Ankara 604 Personen. Nimmt man die Verurteilungen im Mai dazu, summieren sich die lebenslangen Haftstrafen wohl auf rund eintausend Angeklagte.

Unter Juristen ist die Rechtsstaatlichkeit der Verfahren sehr umstritten. Die Vorverurteilung ist massiv, kaum ein Anwalt traut sich, die Angeklagten zu vertreten. Die Richter sind Sonderrichter, denen nach Abschluss des Verfahrens eine Beförderung zu einem der höchsten Gerichte in Aussicht steht.

Die Regierung drängt darauf, dass bis zur Wahl am 24. Juni möglichst alle Verfahren abgeschlossen sind. Wegen dieser Bedingungen weigerte sich beispielsweise die griechische Justiz türkische Offiziere, die nach dem Putsch mit einem Helikopter ins Nachbarland geflohen waren, an die Türkei auszuliefern.

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