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Putschgerüchte in GuatemalaBusfahrer als Mordopfer

Eine Serie von Morden an Busfahrern versetzt Guatemala-Stadt in Panik. Hinter den Verbrechen wird eine Strategie zur Destabilisierung der Regierung vermutet.

Angegriffener Bus in Guatemala-Stadt. Bild: reuters

SAN SALVADOR taz Gespenstische Tage erlebt Guatemala-Stadt derzeit. Es begann am Dienstagvormittag, als zwei Busfahrer in ihren Fahrzeugen erschossen wurden. Nach den beiden Morden in den Morgenstunden verbreitete der populäre Unterhaltungssender Radio Sonora das Gerücht, die Regierung werde den Ausnahmezustand verhängen. Schulen wurden geschlossen, die Kinder nach Hause geschickt. Handel und Industriebetriebe schlossen, staatliche Behörden gaben den Beamten frei. Selbst die Straßenhändler im Zentrum packten ihre Waren ein. Die Busfahrer blockierten die wichtigsten Ausfallstraßen.

Präsident Álvaro Colom sagte seine Teilnahme an einem zentralamerikanischen Gipfeltreffen in Managua ab und versucht seither vergeblich, seine Landsleute zu beruhigen. In einer Rundfunk- und Fernsehansprache versicherte er: "Ein Ausnahmezustand ist nicht nötig. Wir haben wegen der Angriffe auf die Busse die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt." Er meinte damit die Einrichtung zusätzlicher Kontrollpunkte auf den von Bussen befahrenen Strecken und gemeinsame Operationen von Militär und Polizei.

Noch am Dienstag richtete Colom eine Kommission zur Aufklärung der Morde an Busfahrern ein. Tags darauf verkündete er bereits "Fortschritte": Man werde bald ein paar der Hintermänner vor Gericht stellen können. Doch am Donnerstag wurden die nächsten beiden Busfahrer ermordet.

Seit zwei Jahren häufen sich solche Morde in Guatemala. Allein im vergangenen Jahr wurden 171 Chauffeure und Kassierer in Bussen erschossen, außerdem 52 Taxifahrer. Die Mehrzahl dieser Verbrechen fand in der Hauptstadt statt. Kein einziges wurde aufgeklärt. Menschenrechtsorganisationen vermuten dahinter schon lange eine Strategie. "Das ist ein perverser Plan zur Destabilisierung der Regierung", vermutet etwa Mario Polanco, Präsident der Gruppe zur gegenseitigen Hilfe (GAM). Die öffentlichen Hinrichtungen verbreiteten Schrecken und bewiesen die Unfähigkeit der Regierung, angemessen zu reagieren. Die Morde richten zudem wirtschaftlichen Schaden an: Wenn einer ihrer Kollegen ermordet worden ist, blockieren die Busfahrer aus Protest die wichtigsten Ausfallstraßen, und das hat Konsequenzen für Handel und Industrie, denn neun von zehn Guatemalteken fahren mit dem Bus zur Arbeit.

Es gibt viele Spekulationen darüber, wer eine solche Strategie ausgeheckt haben könnte, aber keine Beweise. Viele sehen in dem ultrarechten Politiker und Exmilitär Otto Perez Molina einen möglichen Drahtzieher. Bei der Stichwahl um die Präsidentschaft im November 2007 unterlag er knapp dem Sozialdemokraten Colom. Schon im Wahlkampf hatte man ihm vorgeworfen, er lasse Morde an Busfahrern verüben, um mit seinem Lieblingsthema, der Todesstrafe, zu punkten. Andere verdächtigen ehemalige Militärs, die sich von der Internationalen Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala (CICIG) bedroht fühlen, die Colom ins Land geholt hat. Diese UNO-Kommission soll dabei helfen, die Mafia aus rechten Politikern, ehemaligen und aktiven Militärs und Drogenhändlern auszuhebeln. Und schließlich kommen auch die sogenannten Maras in Betracht, Jugendbanden, die bekanntermaßen von Busfahrern Schutzgeld erpressen.

Innenminister Salvador Gándara versuchte zunächst, das Beunruhigende herunterzuspielen: Des Dienstag sei ein Tag gewesen wie jeder andere, mit zwölf Morden in der Stadt. "Für eine Metropole wie Guatemala-Stadt ist das normal." Für die Hauptstadt ist das zwar richtig, mit 48 Morden pro 100.000 Einwohner im Jahr wird Guatemala in Lateinamerika aber nur noch von El Salvador überrundet.

Als an den Morden Schuldigen machte Gándara ein Mara-Mitglied mit dem Spitznamen "Smiley" aus. Wenn der geschnappt sei, werde alles besser. Doch Präsident Colom pfiff den Innenminister zurück. Zum ersten Mal gab er öffentlich zu, dass hinter der Verbrechensserie eine Strategie zur Destabilisierung seiner Regierung und der Arbeit von CICIG stecke.

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1 Kommentar

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  • L
    locuras

    Guter Artikel vielen Dank!

    Ein wichtiger Aspekt bleibt aber leider auch hier außen vor: Der guatemaltekische Kongress befindet sich zur Zeit in der schweren, scheinbar unendlichen Diskussion der Überarbeitung des Waffengesetzes (laut Verfassung haben Guatemalteken das Recht sich zu bewaffnen, die Gemüter erhitzen sich u.a. an der Frage wieviele Einheiten Munition monatlich erwerbar sein sollten. 400 werden von vielen Abgeordneten als definitv zu wenig empfunden. Pervers in einem Land in dem durchschnittlich 17 Personen am Tag ermordet werden!) Noch vor den Osterferien (in den der Kongress natürlich nicht tagt!) soll das Gesetz verabschiedet werden. Ein verhängter Ausnahmezustand in der Hauptstadt würde das unmöglich machen, die Diksussion verschleppen und widerrum dem Ansehen der Regierung Colom schaden.

    Sehr sicher also kein Zufall das ausgerechnet jetzt Vorkomnisse die in diesem Land leider TAGTÄGLICH sind als Eskalation dargestellt werden!

    Gut das darüber in der taz gesprochen wird!