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Putin hat gesprochenDas System ist nicht autoritär

Vor 1.200 Journalisten weist der russische Präsident Putin jede Kritik an den Zuständen in seinem Land zurück. Scharf kritisiert er die US-Justiz.

300 Journalisten starben im vergangenen Jahr in Russland. Sie wüssten doch, worauf sie sich einließen, meint Wladimir Putin. Bild: dapd

BERLIN taz | Kritiker einer undemokratischen Entwicklung in Russland wurden am Donnerstag von Wladimir Putin eines Besseren belehrt. Das System könne er nicht als autoritär bezeichnen, sagte der Präsident bei einer Pressekonferenz vor über 1.200 in- und ausländischen Medienvertretern in Moskau.

Als Beispiel nannte Putin seine Entscheidung, 2008 nicht für eine dritte Amtszeit kandidiert zu haben. Eine dafür notwendige Verfassungsänderung wäre ein Leichtes gewesen, sagte er.

Nicht kritikwürdig ist demnach auch der Umgang mit unbequemen Journalisten. 300 von ihnen verloren in Russland in den vergangenen Jahren bei der Ausübung ihres Berufs das Leben. Diese wüssten schließlich, worauf sie sich einließen, sagte Putin. Und man könne eben nicht jedem einen Leibwächter zur Verfügung stellen.

Einen Gesetzentwurf, der US-Bürgern die Adoption russischer Kinder verbietet und den die Duma am Mittwoch in zweiter Lesung angenommen hatte, bezeichnete der 60-Jährige als angemessen. Mit scharfen Worten kritisierte er die US-Justiz, die in mehreren Fällen US-Bürger nicht wegen Totschlags ihrer russischen Adoptivkinder verurteilt hätten. „Die Richter wollen uns nicht einmal als Beobachter zulassen“, sagte Putin.

Antwort auf Magnitsky Act

Das Adoptionsgesetz ist eine Antwort auf den sogenannten Magnitsky Act, den US-Präsident Barack Obama in der vergangenen Woche unterzeichnet hatte. Dieses Gesetz belegt russische Beamte, die in den Tod des Anwaltes Sergei Magnitsky verstrickt gewesen sein sollen, mit Einreiseverboten in die USA und friert ihren dortigen Immobilienbesitz ein. Magnitsky war 2009 in einem Moskauer Gefängnis angeblich durch Folter zu Tode gekommen. Zuvor hatte er Beamten des Innenministeriums vorgeworfen, dem russischen Staat mittels Steuerhinterziehungen rund 230 Millionen US-Dollar gestohlen zu haben.

Der Kremlchef nannte den Magnitsky Act einen „unfreundlichen Akt“ gegenüber Russland, der die Beziehungen vergifte. Auch in den USA würden Menschenrechte verletzt, sagte Putin und verwies in diesem Zusammenhang auf das Gefangenenlager Guantánamo.

Angesichts des Bürgerkriegs in Syrien scheint sich bei dem Kremlchef die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass ein Wandel unausweichlich ist. Bislang gilt Moskau als Partner Assads, sondiert aber mit anderen Staaten Szenarien für einen geordneten Übergang. „Zweifellos gibt es ein Streben nach Veränderung“, sagte Putin. Assad zu stürzen könne allerdings das Land noch tiefer ins Chaos reißen. Daher setze Russland weiter auf eine Lösung, die Syrien vor einem Auseinanderbrechen und einem endlosen Bürgerkrieg bewahre.

Über die Beziehungen zu Georgien befragt, sprach Putin von „positiven Signalen“ der neuen Regierung unter Bidsina Iwanischwili. An der russischen Position gegenüber Abchasien und Südossetien ändere sich jedoch nichts. Moskau hatte die abtrünnigen Regionen nach einem Krieg mit Tiflis im August 2008 als unabhängig anerkannt.

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9 Kommentare

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  • B
    Benz

    @Hendrix

    Putin ist eben unglaublich populär in RU. In der modernen Mediengesellschaft werden Politiker zu Stars, ihr Privatleben zu Themen unzähliger Magazine und Shows. Haben Sie den amerikanischen Wahlkampf schon vergessen, wo die Kandidaten jeweils mitsamt ihren Gattinnen und Kindern um die Wette grinsen und sich im eigenen Wohnzimmer ablichten lassen? Oder wie Obama zu seinem Familienleben und zu seinen Töchtern befragt wird? Wie die durchtrainierten Oberarme seiner Frau thematisiert wurden? Oder wie diskutiert wurde, dass Chelsea Clinton einen über den Durst getrunken hatte? Clintons Privatleben selbst, sie mögen sich vielleicht an ihn und seine Praktikantin erinnert, war gar über Jahre beherrschendes Thema.

     

    ''Sind das die Themen, die das Land bewegen?'' fragten Sie. Es scheint so.

     

    ''Wahlergebnissen fast wie zu Breschnew-Zeiten''

    Zu Breschnewzeiten gab es gar keine Volkswahlen des Staatsoberhaupts. Es gab nicht mal das Amt des Präsidenten selbst. Von da her ist unklar, auf welche Wahlergebnisse Sie anspielen. Und dass Sie sich davor drücken, das Dima-Jakowlew-Gesetz zu thematisieren- ich habe nichts anderes erwartet. Es fällt natürlich jedem schwer zu rechtfertigen, warum Adoptivkinder weiterhin Prügel- und Mördereltern ausgeliefert werden sollen.

  • B
    Benz

    Benz, schon Ihre erste Aussage, ich hätte von "keinen kritischen Fragen" gesprochen, ist falsch. Offenbar haben Sie meinen Beitrag kaum gelesen. Soviel schonmal zum Thema Fakten.

     

    Das Peinliche waren die üblichen Ergebenheitsadressen der russ. Journalisten aus der Provinz. Beispiele finden Sie genügend in der Presse: Ob Putin seine Erfahrungen nicht in einem Buch niederschreiben wolle, lautete eine Frage. Ein Reporter aus Jakutsk richtete dem Präsidenten die Grüße seiner fünfjährigen Tochter Anja aus. Ein Vater aus Kalmückien bat wiederum um einen kurzen Geburtstaggruß für seine Tochter.... Sind das die Themen, die das Land bewegen, Benz?

     

    Zur Wahl Putins: Dass diese undemokratisch und gefälscht war und deswegen zu Wahlergebnissen fast wie zu Breschnew-Zeiten führte steht doch nicht im Widerspruch zu seiner fallenden Popularität. Das Dima-Jakowlew-Gesetz diskutieren wir besser im aktuellen Taz-Artikel, der sich genau diesem Thema widmet.

  • B
    Benz

    @Hendrix

    'keine kritischen Fragen'

    Putin wurde laut Artikel gefragt, ob er autoritär sei. Ist das etwa keine kritische Frage?

     

    'nur Ergebenheitsadressen vorgebracht'

    Nicht mal im Artikel steht was von 'Ergebenheitsadressen'. Auf dem Ausschnitt in den Abendnachrichten war auch nichts davon zu hören. Können Sie vielleicht ein Beispiel einer solchen Ergebenheitsadresse nennen? Sie wissen schon, sonst könnte ja noch der Verdacht aufkeimen, Sie schrieben einfach so was Ihnen grad passt ohne sich gross um die Fakten zu kümmern.

     

    Zu Putins Wahl- entscheiden Sie sich: War die Zustimmung jetzt 'absurd hoch' oder ist Putin immer unbeliebter, wie Sie ständig behaupteten? Beides zusammen geht nicht.

     

    Zum Dima-Jakowlew-Gesetz gebe ich Ihnen recht, dass die Duma da schon vor 4 Jahren hätte reagieren müssen. Ich hatte das auch geschrieben in meinem Beitrag. Aber besser spät als nie.

    Sie bemühten sich, die Gewalt amerikanischer Adoptiveltern kleinzureden. Können Sie denn ein Beispiel nennen, wo russ. Adoptiveltern das Kind im heissen Auto vergassen, oder sonstwie umbrachten, wie das in den USA geschah? Und danach auch noch straffrei davonkamen, wie das in den USA der Fall war? Sie wissen schon- Fakten braucht es, irgendwas behaupten kann jeder.

  • H
    Hendrix

    Die Pressekonferenz war mal wieder ein Trauerspiel. Einzige Gelegenheit für Jouralisten, dem Mann mal ein paar kritische Fragen zu stellen, wurden meist nur russ. Provinzjournalisten ausgewählt, die im sowjetischen Stil Ergebenheitsadressen an diesen überbrachten.

     

    @Benz

    Dass die Wahl von Liliputin undemokratisch war, ist nicht nur möglich zu behaupten, sondern sogar notwendig. Zunächst mal wurden gar keine Gegner zur Wahl zugelassen, sondern nur die üblichen Marionetten, und dann wurde die Wahl auch noch gefälscht. Wie übrigens auch die Dumawahl zuvor. Wenn die absurden 64% als Indiz großer Zustimmung gelten sollen, dann war Breschnew mit knapp 100% der beliebteste russ. Herrscher aller Zeiten. Komischerweise ist die Sowjetunion trotzdem implodiert.

     

    Was das Dima-Jakowlew-Gesetz betrifft, so ist dieses einfach nur lächerlich. Wenn den Abgeordneten des russ. Scheinparlaments auch nur das Geringste am Schicksal der russ. Adoptivkinder in den USA gelegen hätte, hätten sie schon vor Jahren reagiert. Auch der Fall Dima Jakowlew liegt über vier Jahre zurück. Im übrigen ist die Gewaltkriminalität

    amerikanischer Adoptiveltern gegenüber russ. Adoptivkindern nur halb so hoch wie die russischer Adoptiveltern.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Putin hat in dieser Pressekonferenz so viel mehr gesagt. Warum arbeitet sich Frau Oertel nur an dem ab, was sie selbst stört? Das wird langsam wiederlich.

  • R
    reblek

    Bildunterschrift: "300 Journalisten starben im vergangenen Jahr in Russland."

    Text: "300 von ihnen verloren in Russland in den vergangenen Jahren bei der Ausübung ihres Berufs das Leben."

    Vielleicht nur ein gradueller Unterschied, aber Guttenberg wäre das mit copy and paste nicht passiert.

  • B
    Benz

    Ich stimme der Aussage im Titel zu. Demokratie ist, wenn die Mehrheit über die Staatsführung entscheidet; Der russ. Präsident wurde mit 64% der Stimmen gewählt. Man kann ihn nicht mögen, aber unmöglich behaupten, er vertrete nicht die Mehrheit.

     

    Das Dima-Jakowlew-Gesetz (benannt nach einem adoptierten russ. Jungen, der von seinen US-Adoptiveltern umgebracht wurde) war längst überfällig. Internationale Kinderadoptionen sind ein Riesengeschäft, das ist übelster Menschenhandel. Zudem waren die Auslandsadoptionen derart gewinnbringend, dass russ. kinderlose Paare jahrelang warten mussten, ehe ihre Adoptionswünsche erfüllt werden konnten. Da wurde ein regelrechter Kinderhandel aufgezogen.

     

    Dutzende von russ. Adoptivkindern wurden von ihren US-Adoptiveltern umgebracht. Dima z.B. wurde vom Vater stundenlang im brütendheissen Auto sitzengelassen. In einem anderen berühmten Fall waren die US-Adoptiveltern des Kindes überflüssig und setzten den 4jährigen alleine in ein Flugzeug nach Moskau. Bestraft wurden bis jetzt weder die US-Adoptiveltern, die die Kinder misshandelten, noch die, die die Kinder umbrachten. Keiner sass auch nur einen Tag im Gefängnis.

     

    Aufgrund solcher Fälle brutaler Adoptiveltern und totaler Gleichgültigkeit der US-Justiz ist es richtig, dass Adoptionen in dieses Land endlich verboten werden. Man kann der Duma nur vorwerfen, das nicht schon viel früher getan zu haben.

  • J
    JadotA

    Herrlich!

     

    WP führt ad absurdum, dass er nicht autoritär ist, weil er nicht alle Möglichkeiten ausschöpft, noch grausamer zu sein. Was Zynismus angeht, ist er Klasse und könnte, wenn er wollte, noch diabolischer sein. Ein Beweis, dass er niedlich ist.

  • J
    JadotA

    Punk, Putin und Presse

     

    Wurde über „Pussy Riot“ berichtet oder wollte nur jeder die Konferenz überleben?