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Putin-KommentarVersteckter Kampf ums Erbe

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Was führt Präsident Wladimir Putin mit dem farblosen Wiktor Subkow als künftigem Premier im Schilde? Zeit schinden. Damit offenbart er vor allem seine Schwäche.

Rätsel über Rätsel. Auch am Tag nach der Ernennung Wiktor Subkows zum neuen russischen Ministerpräsidenten sind Moskaus sonst deutungsfreudige Analysten ziemlich verwirrt. Niemand kann sich einen Reim darauf machen, was Präsident Wladimir Putin mit dem eher farblosen Wiktor Subkow als künftigem Premier im Schilde führt. Dem Kremlherrn bereitet dies diebischen Spaß. Anders ergeht es dem vormals aussichtsreichsten Kandidaten für die Putin-Nachfolge, dem Vizepremier Sergei Iwanow.

Moskau ist Byzanz. Pantokrator Putin hat der Entourage klar bedeutet, wer das Sagen hat. Vordergründig mag man dies als Zeichen der Stärke werten. Doch es täuscht. Ein Herrscher, der sich fürchtet, ein halbes Jahr vor den Wahlen, dem Volk einen designierten Wunschkandidaten zu präsentieren, nährt Zweifel an der Funktionstüchtigkeit seines Systems. Schlimmer noch: er stellt dessen Stabilität selbst in Frage. Dabei bereiten ihm nicht die domestizierten Wähler Sorgen, sondern die sogenannten Petersburger Wölfe im Herrschaftsapparat, denen er einen zivilen Dresscode aufgezwungen hat.

Hinter den Kulissen tobt schon seit Monaten ein heftiger Kampf um die Pfründen. Denn die Nachfolgerfrage entscheidet nicht zuletzt über den Zugriff auf Milliarden aus den korporativen Kassen. Für den Fall einer unvorteilhaften Nachfolgeregelung will jeder vorgesorgt haben. Da gibt es weder Freunde noch Loyalität. Auch der Westen ist den Kombattanten ziemlich egal.

Mit der Wahl des schwachen Technokraten Subkow (zu Deutsch "Zähnchen") schiebt der Kremlchef die wirkliche Entscheidung erneut auf und verabreicht den Wölfen so ein Beruhigungsmittel. Hätte er anders entschieden, wäre die derzeitige Stabilität als das entlarvt worden, was sie ist: eine von Petrodollars gespeiste Phantasmagorie aus dem PR-Büro des Kreml.

Wer will, kann aus Putins Entscheidung auch herauslesen: Seid ruhig und fürchtet euch nicht! Wer immer mir folgt, ich regiere über und mit ihm.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

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