Pumpspeicherwerk im Schwarzwald: Der Markt hat gesprochen
Die Wirtschaftlichkeit des Projektes Atdorf im Südschwarzwald ist fraglich. Nachweinen muss man der Betonphantasie jedoch nicht.
D ie Gegner des Pumpspeicherwerks Atdorf frohlocken bereits - das Projekt der Schluchseewerk AG im Südschwarzwald droht zu scheitern, seine Wirtschaftlichkeit ist fraglich. Nachweinen müsst man dem Projekt aber nicht, denn sein Bau wäre ein massiver Eingriff in die Landschaft.
Anders als etwa der Schluchsee, der sich aufgrund seiner naturnahen Gestaltung trotz seiner Funktion als Pumpspeicher zu einer touristischen Attraktion entwickelt hat, wäre das Projekt Atdorf eine Industrieanlage - in die Landschaft betoniert und komplett abgesperrt.
Angesichts dieses Eingriffs in die Natur sollte man Speichertechniken den Vorzug geben, die mit bestehender Infrastruktur auskommen. Prädestiniert: die Gasnetze. Denn mit Überschusstrom kann problemlos Wasserstoff erzeugt werden, der sich bis zum Gehalt von fünf Prozent ins Erdgasnetz einspeisen lässt. Setzt diese Technik sich durch, ist Atdorf eine Milliardenruine.
Zudem droht dem Pumpspeicher Konkurrenz durch industrielle Smart Grids: Wenn Fabriken beginnen, ihre Produktion wo immer möglich am Strommarkt zu orientieren, nivellieren sie die Strompreise.
ist Autor der taz. Im Handel erhältlich ist sein Buch „Solare Zeiten“ (Picea Verlag, 192 Seiten, 24 Euro).
Ein Pumpspeicherwerk aber lebt von Preisunterschieden: Pumpen mit Billigstrom, Erzeugung in Hochpreisphasen. Aus diesem Grund tut auch die Photovoltaik dem Projekt Atdorf ziemlich weh, wie der Spotmarkt der Strombörse, Bezugstermin gestriger Mittwoch, exemplarisch zeigt: Tagstrom war nur noch gut einen halben Cent je Kilowattstunde teurer als Nachtstrom, weil am Mittag 15.000 Megawatt Solarstrom ins Netz flossen.
Pumpen lohnt sich da nicht mehr. All das wissen die Atdorf-Investoren EnBW und RWE natürlich genau. Schon formuliert ein Vorstand der Schluchseewerke AG, es müßten "Lösungen gefunden werden". Das klingt nun wie ein Ruf nach staatlicher Unterstützung - für ein Projekt, das der Markt offenkundig nicht braucht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden