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Public Viewing in TempelhofDie Sportspiel-Spaßfläche

Sport gemacht wird auf dem Tempelhofer Feld sowieso - für die Olympischen Spiele hat der Hockey Club nun weitere Möglichkeiten zum Sporttreiben und -schauen geschaffen.

Olympischer als auf dem Tempelhofer Feld geht es in Berlin sonst kaum zu Bild: dapd

Olympischer geht es ohnehin an kaum einem Ort der Stadt zu – auf dem Tempelhofer Feld sind Vielseitigkeits- und Freizeitsport zu Hause. Schon kurz hinter dem Zaun trifft man auf die ersten Baseballspieler, ein paar Meter weiter spielen einige Jungs Basketball. Läufer werden von den Inlineskatern und Rennradfahrern überholt, dazwischen sind Kiteskater unterwegs. Nun, zu Olympia, sind noch zusätzliche Sportflächen entstanden: Der Berliner Hockey Club (BHC) hat unter dem Namen „Die Spiele in Berlin“ ein kleines olympisches Dorf ins Leben gerufen, in dem sich Sportgucken und Sporttreiben abwechseln sollen. Dort kann man sich auf eigens angelegten Hockey-, Beachvolleyball- und Fußballfeldern vergnügen, außerdem wird zum Olympia-Public Viewing eingeladen.

Die gesamte Ecke hin zum S-Bahnhof Tempelhof steht noch bis 12. August ganz im Zeichen der Olympischen Spiele. Als der späte Freitagabend anbricht, sind rund 500 Leute versammelt, die auf dem Rasen und auf den Bierbänken sitzen und auf einer 100 Quadratmeter großen Leinwand Phelps und Co. zusehen. Bald kommt ein bisschen Open-Air-Konzert-Atmosphäre auf.

„Ich find’s überraschend chillig hier“, sagt Birgit aus Moabit, die auf einer Decke im Gras liegt. Warum sie heute hier Olympia schaut? Ganz einfach: „Ich habe keinen Fernseher und kein Internet zu Hause.“ Für Birgit geht Olympia erst heute richtig los: „Jetzt fangen endlich die Leichtathletik-Wettbewerbe an.“ Die 37-Jährige steht zwar auch auf Basketball – das Höher, Weiter und Schneller, das nun im Londoner Olympiastadion beginnt, findet sie aber besonders spannend.

Um die Leinwand herum sind die Aktiven gefragt, die zum Beispiel in einem Simulator gegen die Profis antreten – in den Sportarten Rudern oder Rennradfahren. Oder die ganz real und vom BHC betreut 100 Meter laufen, Yoga und Pilates treiben, Beachvolleyball, Fußball und Hockey spielen. Johanna und Jeanette etwa haben ihre Hockeyschläger schon entspannt über die Schulter gelegt; sie hatten die Schläger geschwungen, bis die Dunkelheit hereingebrochen ist. Beide sind im BHC und kommen fast täglich her, seit die Flächen zur Verfügung stehen. Genauso fiebern sie mit Natascha Keller und den Hockeyfrauen mit. Ob eine von ihnen die neue Keller wird? „Nee, das trau ich mir nicht zu“, sagt Jeanette. „Wir spielen nur aus Spaß in unserer Freizeit, wir sind nicht so ambitioniert.“

Auch Überraschendes findet sich auf dem Tempelhofer Feld: Zwischen all den Sport treibenden und schauenden Menschen steht eine kleine Kabine mit der Aufschrift „Friseur“. Ein guter Look ist natürlich auch beim Sport wichtig – aber so sehr, dass man Kamm und Schere gleich an der Außenlinie benötigt? Jetzt, am Abend, hat die Frisurenschmiede zwar geschlossen. Die Frau vom Imbissstand klärt auf: Der Testlauf eines mobilen Friseursalons sei das, der in Berlin bald an Tankstellen zu finden sein soll – Tank & Cut. Die Start-up-Szene treibt seltsame Blüten. Immerhin: „Ich gehe morgen auch dorthin, das nutzen viele hier“, sagt die kräftige Imbissfrau. Derzeit gibt’s den Haarschnitt noch kostenlos.

Ob das Tempelhofer Feld weiter so frei genutzt werden kann wie bisher, ist derzeit wieder offen. Die ursprünglich auf der Fläche geplante Internationale Gartenausstellung (IGA) im Jahr 2017 soll nach derzeitigem Stand nach Marzahn verlegt werden. Ab dem Jahr 2013 sollte das Gelände eigentlich für 61 Millionen Euro in einen Landschaftspark umgewandelt werden. Die Bürgerinitiative „100 % Tempelhof“ kämpft jedoch dagegen, am 23. September soll es die nächste Demo gegen die Umwandlung des Tempelhofer Felds geben.

Am späten Freitagabend läuft erst mal die nächste Siegerehrung beim Schwimmen auf der Leinwand. Oben auf dem Treppchen: Michael Phelps. Es ist Phelps’ letzter Auftritt bei Olympia, er hat gerade seine 21. olympische Medaille gewonnen. Einige vor der Leinwand klatschen, der Portugiese David ist etwas ratlos. „Der Typ hat mehr Medaillen gewonnen als Portugal in seiner ganzen olympischen Geschichte“, sagt er.

Selbst Olympia-Hasser können „Die Spiele in Berlin“ bedenkenlos besuchen. „I don’t give a fuck about Olympics“, sagt der Franzose Yan. Er kommt gerade von einem der drei Fußballplätze. „Aber das sind geile Plätze, es macht Spaß, hier zu spielen“, sagt er. Und er will wiederkommen. Eine gute Woche hat er noch Gelegenheit dazu – aber auch danach wird dem Tempelhofer Feld ein wenig olympischer Geist erhalten bleiben.

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