Prügelei im Jugendzentrum: Hooligans überfallen Partygäste
Anhänger der "Standarte Bremen" und des "Nordsturm Brema" verprügeln die Gäste einer Elektro-Party bei Hannover. Die Betroffenen sprechen von einen geplanten politischen Angriff, die Polizei sieht das anders.
WUNSTDORF taz | „Koordiniert und brutal“, so beschreiben Betroffene den Angriff von rechten Hooligans auf eine Elektro-Party am vergangenen Samstag. Nach 23 Uhr waren die Hooligans aus Bremen in das Jugendzentrum „Wohnwelt“ in Wunstdorf bei Hannover eingedrungen und hatten unter anderem mit Teleskopschlagstöcken und Ketten auf die Gäste eingeschlagen. „Zehn Personen wurden verletzt, zwei so schwer, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden mussten“, sagt ein Sprecher des Trägervereins „Lebenstraum“.
In der Nacht waren Anhänger der Hooligangruppen „Standarte Bremen“ und „Nordsturm Brema“ mit der Bahn auf der Rückreise von Essen nach Bremen. Mit Hooligans aus Essen besteht eine Fanfreundschaft. Die Hooligans sollen Polohemden mit dem Logo der „Standarte“, einem geschwungenen „S“, getragen haben.
Am Bahnhof Wunstdorf bei Hannover hätten die militanten Fußballfans auf einen Anschlusszug warten müssen und seien auf die Party aufmerksam geworden, sagt eine Pressesprecherin der Polizei. Die Wohnwelt liege gleich gegenüber dem Bahnhof. Der Verein sieht es anders: Mitnichten hätten „gelangweilte Fußballfans auf der Durchreise“ den Angriff verübt. Über eine Stunde hätte die rund 20 Hooligans am Bahnhof verbracht und keinen der fahrenden Züge genutzt.
Um 22.20 Uhr hätten dann zwei Männer mittleren Alters mit Poloshirts der „Standarte“ ganz selbstbewusst den Thekenraum der Wohnwelt betreten, wo an die 180 meist jugendliche Gäste feierten. Gäste wollen auf der Haut der Männer Tattoos mit SS-Runen gesehen haben. Die zwei bestellten Getränke und blieben zehn Minuten. „Wir haben uns freundlich verhalten, damit die Situation nicht eskaliert“, sagt ein Sprecher des Vereins.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wären die zwei wieder zu ihrer Gruppe gestoßen. Eine dreiviertel Stunde später hätte dann jemand aus der Gruppe – ohne Vorwarnung – einem Gast, der zur Party wollte, frontal ins Gesicht geschlagen. Der Geschlagene ging zur Wohnwelt hinüber, worauf an die sieben Hooligans mit Gewalt in den Eingangsbereich eindrangen und weibliche wie männliche Gäste brutal angriffen. Die weiteren Hooligans folgten.
„Wo ist die Antifa?“, sollen die Angreifer gerufen und eindeutig rechte Parolen skandiert haben. Gäste wurden gejagt, ein Gast am Boden liegend zusammengetreten. Ebenso koordiniert wie der Angriff auf die Wohnwelt sei der Abzug zum Bahnhof verlaufen, sagt der Sprecher des Vereins.
An der Weser besteht seit Jahren eine Mischszene zwischen Hooligans und Neonazis. 2010 konnte die "Standarte" in Bremen ihr 20-jähriges Bestehen feiern. Zentrale Figuren dieser Szene sind die Brüder Ostendorf:
Henrik Ostendorf gehört zur "Standarte" und war Geschäftsführer der NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme.
Sein Bruder Marten Ostendorf verkaufte im eigenen Laden "Sportsfreunde" in der Szene beliebte Accessoires.
Hannes Ostendorf ist Sänger bei der Hooligan-Band Kategorie C - Hungrige Wölfe.
Am Bahnhof nahm die inzwischen eingetroffene Polizei die Personalien von 18 Hooligans im Alter von 17 bis 35 Jahren auf. Augenzeugen des Angriffs berichteten dem Verein, dass die Hooligans ihre Kleidung tauschten – offensichtlich um Zeugen später die Wiedererkennung zu erschweren.
Der Verlauf des Angriffes, die Sprüche beim Zuschlagen, die Kleidung der Angreifer und das Tauschen der Kleidung sind für den Verein Indizien genug, um von einem politisch motivierten und geplanten Angriff zu reden. Die Wohnwelt war schon öfters Ziel rechtsextremer Übergriffe, denn in den Räumen kommen auch Jugendliche zusammen, die sich gegen die extreme Rechte engagieren. Die Polizeisprecherin dagegen meint: „Von einer geplanten Aktion und von einem politischen Hintergrund gehen wir nicht aus.“
Seit Jahren fallen Anhänger der „Standarte“ durch Übergriffe auf. Ihren Name sollen sie auch schon mit dem einschlägigen Zahlencode 88 für „Heil Hitler“ erweitert haben. Bei einem Überfall 2007 auf Partygäste im Weserstadion verletzen die Rechten 40 Gäste – zwei davon schwer. Im September 2011 löste das Verfahren beim Amtsgericht Proteste aus – wegen der dort betriebenen Entpolitisierung der Vorgänge. Nach Angaben von Beratungsstellen für Opfer rechtsextremen Gewalt sind die Angriffe von Rechtsextremen auf nicht-rechte Jugendliche in den vergangen Jahren gestiegen.
Nach dem Angriff auf die Wohnwelt begleitete die Bundespolizei die Hooligangruppe bis zum Bremer Hauptbahnhof, um weitere Straftaten zu unterbinden. Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Hausfriedensbruch laufen.
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