: Prüfungsamt im Prüfungsstreß
■ ProfessorInnen fordern 900 Termine in den nächsten drei Monaten. / StudentInnen wollen klagen
„Im letzten halben Jahr konnte ich weder die Arbeitszeit noch den Urlaub planen. Mein Konto ist um 2.500 Mark überzogen.“ Die Lehramtsstudentin Brigitte Förster war zudem in der letzten Zeit sehr viel mehr krank als sonst. Der Grund: Prüfungsstreß. Seit Ende Juli vergangenen Jahres wartet sie auf einen Prüfungstermin, der jederzeit angesetzt werden kann. Ein anderer Student hatte die „Vorladung“ bekommen, doch so kurzfristig, daß er absagen mußte. In zehn Tagen könne man sich auf keine Prüfung vorbereiten.
Das für Examen zuständige Landesamt für Schulpraxis und Lehrerprüfungen (LASL) gilt an der Uni mittlerweile als das Bermudadreieck unter den Ämtern. Prüfungsanmeldungen verstauben auf den Schreibtischen der zuständigen Beamten. Wartezeiten von bis zu einem Jahr sind die Folge. Betroffen sind derzeit an die 700 angehende LehrerInnen, die jeweils für das erste Staatsexamen zwei bis drei mündliche Prüfungen ablegen müssen. Neben dem psychischen Streß kommen höhere BAföG-Schulden von bis zu 2000 Mark und die Rückerstattung eventueller Sozialhilfeleistungen auf sie zu. Außerdem verringert sich die Chance auf eine Refendariatsstelle, da sie die Bewerbungsfristen nicht einhalten können.
Zu der Misere hatte eine Verschärfung der Prüfungsordnung geführt. Viele StudentInnen nahmen die Übergangsfrist in Anspruch, um nach der alten Prüfungsordnung abzuschließen. „Obwohl der Andrang vorherzusehen war, wurde das LASL von der Flut Abschlußwilliger überrascht“, so Jürgen Bürger von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die seit Monaten die „Untätigkeit“ in der Behörde anprangert. Ein im Dezember von Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs versprochener Abbau des Überhangs, ist noch lange nicht in Sicht. Daher hauen jetzt auch die ProfessorInnen auf das Katheder. In einer Stellungnahme forderte am vergangenen Mittwoch der Akademische Senat von der Senatorin ein sofortiges Eingreifen, um den Stau abzubauen. Bis zu 900 mündliche Prüfungen wollen sie bis Ende Juni erledigt wissen.
Neben einer Verringerung der Prüfungskommission von drei auf zwei Personen und der Aufstockung des Verwaltungspersonals im Prüfungsamt verlangen die ProfessorInnen die Ernennung von hauptamtlichen Prüfern, damit auch während der Schulferien geprüft werden kann. Zur Zeit nehmen LehrerInnen aus der Praxis das erste Staatsexamen ab.
Außerdem sollen feste Prü-fungstage Ordnung in die undurchschaubare Terminierung bringen. Bislang werden die Termine mit jedem einzelnen Prüfer persönlich abgestimmt. „Eine Praxis, die zwar das liberale Organisationsprinzip sehr sympathisch macht, doch dem Massenandrang nicht gewachsen ist“, so Friedhelm Ahrning von der „Organisationseinheit Lehrerbildung“ an der Uni.
Die Betroffenen wollen zudem das LASL auf Schadenersatz verklagen. Die Erfolgschancen sind allerdings verschwindend gering, wie Brigitte Hasenjäger, Rechtsberaterin bei der GEW, zugeben muß. „Es ist nämlich keine Frist für das Abnehmen des Staatsexamen in der Prüfungsordnung verankert.“ Man erwäge daher auch eine Klage wegen Untätigkeit im Amt.
Amtsleiter Andreas Lennert vom LASL sieht dem gelassen entgegen. Immerhin seien schon sehr viele Anstrengungen unternommen worden. Auch wenn die von der Senatorin abbestellten Aushilfskräfte noch zu keiner spürbaren Entspannung beim LASL geführt haben, sei man doch sehr bemüht. Den Abbau des Aktenbergs soll nun das neu eingeführte EDV-System beim LASL garantieren. Letzte Wochen fanden die ersten Einweisungen für die MitarbeiterInnen statt.
„Bis zum Sommer“, so die neue Auskunft der Sprecherin des Wissenschaftsressorts, Erika Hux-holdt, soll der Prüfungs-Stau nun abgebaut werden. Die Beschaffung der Computer für die EDV-gestützte Abwicklung habe sehr viel länger gedauert, als gehofft. „Das ist der ganz normale Gang der Dinge“, sagt Huxholdt resigniert.
Wissenschaftssenatorin Bringfriede Kahrs hat der Kritik der Universität an den überlangen Prüfungsfristen in einem Brief an Uni-Rektor Timm zugestimmt. Die „von mir als notwendig erachtete Verkleinerung der Prüfungskommissionen durch Verringerung der Zahl der Staatsvertreter“, habe „wegen der langen Dauer, die die Änderung einer Prüfungsordnung beansprucht“ bisher leider nicht umgesetzt werden können. Kahrs: „Ich halte sie aber weiterhin für hilfreich.“ llg/vos/Ase
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