Prozess: Gnade für den Intensivtäter
Die Polizei führt ihn als Intensivtäter, er selbst sieht sich als Opfer: Trotz der langen Liste von Straftaten hofft das Gericht bei Ex-"Mongol" Abdullah C. auf Bewährung.
Abdullah C. ist erst 24 - im Bundeszentralregister hat er aber schon 16 Eintragungen. Bei der ersten Verurteilung wegen Diebstahls und Körperverletzung war er gerade 14 Jahre alt. Seither kamen immer wieder Diebstahl und Körperverletzung hinzu. Solange er noch jugendlich war, wurden verschiedentlich Ermittlungen eingestellt. 2006 - da wurde er 18 - bekam C. 14 Monate auf Bewährung.
Am vergangenen Freitag stand Abdullah C. nun wieder vor Gericht - drei Dutzend Strafvorwürfe hatten sich 2009 und 2010 angesammelt. "Nach den Akten scheint das völlig klar: Da kann es keine Bewährung geben", sagte der Staatsanwalt.
Offenbar haben C.s bisherige Bewährungsstrafen ihn nicht besonders beeindruckt. 2008 verurteilte ihn das Landgericht Bremen wegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung - wieder zu einer Bewährungsstrafe. Die lange Anklageschrift vermerkt Drohungen: "Ich ficke dich, ich ficke Allatin, ich ficke Sami. Ich werde euch mit Kugeln behageln." Einen Lehrer des Schulzentrums Grenzstraße würgte er - er war in das Schulzentrum eingedrungen, um dort einen Schüler zu verfolgen. Vor dem Polizeirevier sprühte er in einem anderen Fall einem Mann aus fünf Metern Entfernung Reizgas ins Gesicht. Anfangs war er bei dem inzwischen in Bremen verbotenen Rockerklub Mongols, heute "unterstützt" er, wie er selbst berichtete, die Rockerbande Hells Angels.
Vor Gericht ging es vor allem um die Frage, was ihn motiviert, sich so unkontrolliert aggressiv zu verhalten. Sein Verhältnis zu seiner Familie sei "normal", erklärte er. Sein Vater war zunächst mitangeklagt, weil er bei einem der angeklagten Bedrohungsdelikte eher zustimmend zugesehen haben soll. Nur mit seiner Schwester habe er Probleme bekommen, sagte Abdullah C., nachdem die - damals Bürgerschaftsabgeordnete - namentlich in der Zeitung erwähnt wurde, als die Polizei auch ihre Zimmer in dem gemeinsamen Wohnhaus der Familie durchsucht hatte.
Von der Grundschule war er wegen "Verhaltensauffälligkeiten" geflogen und zur Sonderschule geschickt worden, sagt C. Einen Hauptschulabschluss hat er nicht, auch keine Lehre.
Er würde mit seinem Dominanz-Gehabe im Grunde nur kompensieren, sagt die Bewährungshelferin. Nun wolle er nach Köln umziehen, weg von Bremen, wo die Polizei ihn immer wieder im Visier habe für Dinge, mit denen er nichts zu tun habe, sagt er selbst. Er wolle sich nun mehr für seine beiden Kinder verantwortlich fühlen.
Dass er sich bei den Rockern nicht mehr engagiere, liege auch daran, dass seine Frau dagegen sei, hatte er selbst erklärt. "Hören Sie in diesem Falle auf Ihre Frau", meinte der Richter bei der Urteilsbegründung. Mit einer neuerlichen Bewährungsstrafe will das Gericht dem angekündigten Neuanfang eine Chance geben. Nachdem das Gericht zugesagt hatte, beim Strafmaß nicht über zwei Jahre hinaus zu gehen, und es zur Bewährung auszusetzen, hatte Abdullah C.s Anwalt für ihn ein Teilgeständnis abgelegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands